„Deutschland wir reichen Dir die Hand und kehr´n zurück ins Vaterland“

Von Peter E. Uhde 

Abschiedsparade der WGT in Wünsdorf/Zossen im August 1994

Die sowjetischen Truppen in der DDR stellten das größte Truppenkontingent dar, das jemals über einen so langen Zeitraum von einer Besatzungsmacht im Ausland unterhalten wurde. Vor genau 20 Jahren, Ende August 1994, verließen die letzten sowjetischen Truppen deutschen Boden. Es war damals eine friedliche und organisierte Rückkehr aus dem wiedervereinigten Deutschland ins Vaterland.

Eine Epoche geht zu Ende

Am 31. August 1994 werden die letzten Angehörigen der „Westgruppe der Truppen“ (WGT) mit einem feierlichen Zeremoniell in Berlin aus Deutschland verabschiedet. Fast ein halbes Jahrhundert sind sowjetische Soldaten auf deutschem Boden stationiert.  

Im Oktober 1990 umfasst die Personalstärke der WGT etwa 338.000 Soldaten, 45.000 Zivilbeschäftigte und 164.000 Familienangehörige. Kampfpanzer (4116), gepanzerte Kraftfahrzeuge (10.225) Artilleriegeschütze/Mörser (3.578) Flugzeuge (623) und Hubschrauber (717) gehören zur Kampftechnik. Hinzu kommen rund 92.000 Kraftfahrzeuge/Kettenmaschinen, zwei Millionen Tonnen Material und 677.000 Tonnen  unterschiedlichster Munition.

Größer als das Saarland

Die Stäbe der fünf Armeen liegen in Dresden (1. Garde-Panzerarmee), Fürstenberg (2. Garde-Panzerarmee), Nohra (3. Armee), Eberswalde/Finow (8. Armee) und Wünsdorf (16. Luftarmee). Hier im südlich von Berlin gelegenen Wünsdorf hatte auch das Oberkommando seinen Sitz. Seit dem 13. Dezember 1990 wird es von Generaloberst Matwej Burlakow geführt. Die Truppen sind über das ganze Gebiet der DDR, in 1.550 Liegenschaften verteilt, stationiert. Die genutzte Landfläche, einschließlich der Übungsplätze,  umfasste etwa 2.900 Quadratkilometer. Das ist mehr als die Gebietsfläche des Saarlandes (2.570).

Seit dem 12. Oktober 1990 gilt der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthaltes und die Modalitäten für einen Abzug der sowjetischen Truppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik  Deutschland“. Hierin sind der Abzug der Truppen und der Abtransport des Materials bis 31. Dezember 1994 festgelegt. Mit Aufstellung  eines Verbindungskommandos in Strausberg, unter Führung von Generalmajor Hartmut Foertsch, steht der WGT ein Ansprechpartner für alle  Abzugsfragen  zur Verfügung. In diesem Kommando sind zahlreiche ehemalige NVA-Offiziere eingesetzt.

Jelzin und Kohl einigen sich

Im Dezember 1992 besucht Bundeskanzler Helmut Kohl den Präsidenten der Russischen Föderation Boris N. Jelzin. Hierbei macht der Bundeskanzler finanziellen Zusagen, u.a. für humanitäre Regelungen für im Nationalsozialismus begangenes Unrecht.

Die Verlegung beginnt aus den Standorten der WGT von Westen nach Osten. Der Personaltransport geschieht auf dem Luftweg, das Material zu zwei Drittel über die Ostseehäfen Mukran, Rostock und Wismar, ein Drittel mit der Eisenbahn durch Polen und Tschechien. Aufnahmeländer der Rückkehrer sind in erster Linie Russland, die Ukraine und Weißrussland. Eine besondere Schwierigkeit der Rückführung stellt die atomare Munition da. Bis zum 24. Juni 1991 wird sie mittels Eisenbahntransport in Spezialwaggons auf Fähren von Mukran (Rügen) nach Klaipeda (Memel) und von dort auf das Territorium der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verlegt.

Die Bundesrepublik finanziert den Bau von 36.000 Wohnungen für 7,8 Milliarden Mark. Im Oktober 1996 ist das Bauprogramm mit 45.000 fertig gestellten Wohnungen  beendet. Dazu kommt ein Schulungsprogramm für Offiziere zur Eingliederung in Zivilberufe. Der Unterhalt der Truppen in Deutschland und die Kosten des Rücktransports belaufen sich auf vier Milliarden Mark.

Auflösung des Warschauer Paktes

Am 1. Juli 1991 löst sich der am 14. Mai 1955 geschlossene  „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ (kurz Warschauer Vertrag) auf. Das bedeutet, dass auch aus Polen (Nordgruppe), Ungarn (Südgruppe) und der Tschechoslowakei (Zentralgruppe) die sowjetischen Streitkräfte abgezogen werden. Bis Ende 1994 kehren noch einmal rund 270.000 Soldaten, Zivilbedienstete und deren Angehörige  samt Waffen und Material in ihre Heimat zurück. Die Probleme für die Rückkehrer in die zerfallende UdSSR, die einstmals als Sieger und später als „Freunde“  jenseits der Landesgrenze waren, sind groß.

Abzug in Würde

Am 31. August 1994 kommt Staatspräsident Jelzin nach Berlin. Auf dem Gendarmenmarkt nimmt er die Meldung des Oberkommandierenden Burlakow entgegen. Nach dem Festakt im Schauspielhaus begeben sich Präsident und Bundeskanzler zum sowjetischen Ehrenmal im Stadtbezirk Treptow. Mit einer Kranzniederlegung gedenken sie der Toten des Zweiten Weltkrieges. Die Nationalhymnen  erklingen. Eine Parade der Bundeswehr und WGT beendet eine Epoche. Die Hoffnung, dass nun der ewige Frieden in Europa einkehren wird, geht leider nicht in Erfüllung.                                                   

 

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