Generalleutnant Johann-Georg Dora sprach vor der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik zu den Auslandseinsätzen des Bundeswehr

Sicherheitsgefährdungen bereits am Entstehungsort begegnen

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Einen äußerst hochkarätigen Referenten hatte Gerd-Heinz Haberbusch, der Vorsitzende der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler, ins Ahrtal gelockt. Generalleutnant Johann-Georg Dora, der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, sprach vor 150 Zuhörern im Haus Rheinland der Ahrtal-Kaserne zum Thema „Die Auslandseinsätze der Bundeswehr“. Dabei gab er neben einem Sachstandbericht auch eine Bewertung und einen Ausblick ab.

Dora begann sein Referat mit einem Vergleich, um die Arbeit der Bundeswehr im Ausland zu kennzeichnen: „Zum Schneiden der Reben und für die Lese müssen die Ahrwinzer oft in extreme Steilhänge klettern. Aber der Ertrag ist hervorragend und lohnt die beschwerliche Arbeit!“ Als Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr sei Dora unter anderem für die Militärpolitik und für die Einsätze der Bundeswehr zuständig. Seiner Meinung nach beeinflussten die aktuellen Risiken und Bedrohungen entscheidend die heutigen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und seien Kern der aktuellen und künftigen Herausforderungen der Bundeswehr.

 Generalleutnant Johann-Georg Dora  

Überwunden geglaubte Kriegsursachen

Dazu zählte er innerstaatliche Konflikte, wie in Afrika, die zu Migrationsbewegungen und Flüchtlingsströmen führen, aber auch die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und Raketentechnologie, den internationalen Terrorismus einschließlich des islamistisch motivierten Terrors, zerfallende Staaten sowie die organisierte internationale Kriminalität. „Überwunden geglaubte Kriegsursachen, wie religiöser Fanatismus und ungewohnte Konfliktursachen, wie etwa der Zugang zu Rohstoffen und kritischen Ressourcen wie Erdöl und Erdgas, aber auch Trinkwasser, gewinnen zunehmend an Bedeutung“, erklärte Dora, „und hier reden wir nicht nur über eine Pipeline in Georgien oder das Jordanwasser.“

Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass in einer globalisierten Welt nationale Grenzen und große Distanzen nur noch sehr bedingten Schutz gegen destabilisierende Entwicklungen und Gefahrenherde böten. Mittels Internet, moderner Kommunikationsmittel und durch einen gewachsenen internationalen Handel immer dichter vernetzt, sei der Erdball gleichsam kleiner und verwundbarer geworden. „Mit immer größerer Regelmäßigkeit berühren uns Kriege und Krisen anderer Erdteile überraschend und unvorhersehbar.“

Globalisierung der Bedrohungen

Auf diese Globalisierung der Risiken und Bedrohungen eine überzeugende Antwort zu finden, erfordere ein gewandeltes Verständnis von Sicherheit in Politik, Streitkräften und Gesellschaft. Die politische und öffentliche Diskussion darüber, wie der Schutz Deutschlands auch im 21. Jahrhundert gewährleistet werden könne und wo die Grenzen von innerer und äußerer Sicherheit künftig verlaufen, sei noch lange nicht abgeschlossen. „Als Soldat begrüße ich diese Diskussion ganz ausdrücklich.“

Und zwar deshalb, weil die Sicherheit Deutschlands und seiner Bürger eine Aufgabe sei, die nicht nur die Bundeswehr allein, sondern die alle gesellschaftlichen Gruppen als eine gesamtstaatliche Aufgabe angehe.

Wohin diese Diskussion gehe, zeige das neue Weißbuch der Bundesregierung eindeutig: „Wir benötigen eine zeitgemäße, national und international vernetzte Sicherheitspolitik, deren Ziel es ist, Gefährdungen unserer Sicherheit bereits am Entstehungsort zu begegnen.“ Mit zivilen, aber auch mit militärischen Mitteln, die aufeinander abgestimmt sein müssten, sollen Bedrohungen auf Distanz bewältigt werden, bevor sie sich in Deutschland auswirken. Das sei die eigentliche Herausforderung an eine moderne, ressortübergreifende Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Politische Weichen sind gestellt

Für die Bundeswehr bedeute das, dass seit 1990 Anzahl, Intensität und Dauer der Einsätze der Bundeswehr stetig zugenommen hätten. Derzeit seien knapp 7000 deutsche Soldaten weltweit in „Besonderen Auslandsverwendungen“ eingesetzt. Waren es im Jahr 2000 noch drei bis vier Einsätze, so seien es heute zehn.

Wie die Bundeswehr heute zu einer modernen, ressortübergreifenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik beitrage, erläuterte der Generalleutnant am Beispiel von Afghanistan, Kosovo und Libanon. Mit der Verlängerung des ISAF-Mandats durch den Deutschen Bundestag seien die entscheidenden politischen Weichen für ein weiteres Jahr gestellt worden, bemerkte Dora. „Die Mandatsverlängerung war alles andere als eine Routineveranstaltung. Dass am Ende eine komfortable Mehrheit für die Verlängerung zustande gekommen ist, ist ein wichtiges Vertrauenssignal an die Afghanen wie an unsere Verbündeten“, meinte der Stellvertreter des Generalinspekteurs. Vor allem aber sei dieses starke Votum des Deutschen Bundestages eine notwendige Legitimation für die deutschen Soldaten in Afghanistan und ihre Angehörigen zu Hause.

Die Festnahmen islamischer Terroristen in Deutschland, die Entführungen deutscher Wiederaufbauhelfer und insbesondere die beiden tödlichen Anschläge vom Mai und August auf deutsche Soldaten und Polizisten zeigten deutlich, dass die Sicherheitslage auch im deutschen Verantwortungsbereich angespannt bleibe und im Gesamtzusammenhang der landesweiten Lageentwicklung beurteilt werden müsse. „Das deutsche Kontingent hat sein Verhalten darauf eingestellt.“

Gewonnenes Vertrauen nicht verlieren

Eine Herausforderung liege darin, den Kontakt und das gewonnene Vertrauen der Bevölkerung nicht zu verlieren. Es müsse allen klar sein, dass die Bundeswehr als wichtiger Akteur im Rahmen von ISAF ein Interesse und auch Verantwortung für die gesamte ISAF-Operation trage. Deutschland habe eine besondere politische und militärische Verpflichtung für Nordafghanistan übernommen, was bei einer Fläche von über 162.000 Quadratkilometern, flächenmäßig etwa die Hälfte Deutschlands, „kein Pappenstiel“ sei, so der Generalleutnant salopp. Es sei unverändert wichtig, die deutsche Vorstellung eines umfassenden, vernetzten Ansatzes weiterhin deutlich in der NATO zu artikulieren. „Wir werden die Unterstützung der afghanischen Bevölkerung nur gewinnen und erhalten können, wenn es uns gelingt, unsere militärischen und zivilen Handlungen zu harmonisieren und neben einer gewissen Stabilität insbesondere auch spürbare Erfolge bei Wiederaufbau und Entwicklung in den Operationsgebieten zu erreichen.“

Die hier bislang erzielten Erfolge seien ermutigend und skizzierten den einzigen Erfolg versprechenden Weg: „Es gibt eine Verfassung, einen gewählten Präsidenten, ein gewähltes Parlament“, listete Dora auf. Fast sieben Millionen Kinder, davon ein Drittel Mädchen, gingen zur Schule, 80 Prozent der Bevölkerung habe inzwischen Zugang zu basismedizinischer Versorgung, und 4,7 Millionen Flüchtlinge seien zurückgekehrt. „Deutschland hat an diesen Erfolgen maßgeblichen Anteil“, verdeutlichte Dora. „Unser Ziel ist eine selbsttragende Stabilität, bei der die Afghanen selbst für ihre Sicherheit sorgen können.“ Momentan sei dieses Ziel noch nicht erreicht. Aber mit ihrem neuen „Afghanistan-Konzept" weise die Bundesregierung den richtigen Weg und sei auch in Zukunft zu einem nachhaltigen zivilen und militärischen Engagement bereit.

Friedenssicherung auch im Kosovo

Ein weiteres Thema war der Einsatz der Bundeswehr auf dem Balkan zur Friedenssicherung im Kosovo. Der Balkan besitze gleich hinter Afghanistan unverändert hohe Priorität und rücke wieder verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung. Die aktuelle Lage im Kosovo sei maßgeblich geprägt von der Frage der Statusentscheidung. Unverändert seien allerdings kriminelle Netzwerke am Fortbestehen einer politischen Instabilität des Kosovo interessiert. So würden Kosovo und der gesamte Westbalkan vermutlich bis auf Weiteres eine Schlüsselrolle als Transitregion für den Drogenhandel in Richtung Europa behalten.

Ziel des militärischen Engagements Deutschlands im Rahmen der NATO-geführten KFOR sei es, die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Kosovo zu gewährleisten, bis die internationale Zivilpräsenz die Verantwortung für diese Aufgabe übernehmen könne und die Herstellung einer friedlichen, funktionierenden demokratischen Gesellschaft mit Schutz der Minderheiten ein stabiler Prozess geworden sei. Derzeit seien etwa 2220 Soldaten der Bundeswehr als Teil der insgesamt 16.000 Mann starken KFOR-Truppe im Einsatz. Signifikante militärische Kräftereduzierungen seien in Abhängigkeit von der Entwicklung und der Statusentscheidung im Kosovo und der Region nicht vor Ende 2008 zu erwarten.

Bundeswehr im Transformationsprozess

Zum Schluss seines Vortrages sprach Dora über den Transformationsprozess, den die Bundeswehr derzeit durchlaufe. Er sei die unabdingbar notwendige Reaktion auf die Veränderungen des Einsatzbildes und ziele auf die nachhaltige Erhöhung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. „Es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, die Herausforderungen der Globalisierung anzunehmen und den größten Wandel in der Geschichte unserer Bundeswehr zu bewältigen - den Wandel von einer Armee im Kalten Krieg über die Armee der Einheit hin zu einer Armee im weltweiten Einsatz heute.“

Im Bereich Personal komme es besonders darauf an, dass die künftige Personalstruktur die erhöhten Anforderungen der Streitkräfte im Einsatz berücksichtige. Dafür sei neben verbesserten Laufbahnaussichten und einer höheren Attraktivität der Streitkräfte auch eine erweiterte Betreuung der Soldaten und ihrer Familien wichtig. Erfolg im Einsatz sei nur mit entsprechender Ausbildung und Übung möglich. Mit der „Übungsweisung Streitkräfte" seien nationale Übungsschwerpunkte festgelegt worden. Und schließlich sei erstmalig die Weisung für die Auswertung von Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen der Bundeswehr erlassen worden. Doch auch eine Bundeswehr im Wandel komme nicht ohne Konstanten aus. Eine dieser Konstanten sei die Wehrpflicht. Sie habe sich in Deutschland uneingeschränkt bewährt, plädierte Dora für deren Beibehaltung. -VJ-

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