Am Rande des Abgrunds

- Die Kuba-Krise 1962 -

Von Peter E. Uhde

Vor 50 Jahren stand die Welt am Rande eines Atomkrieges. Auslöser dieses Höhepunktes des Kalten Krieges war die Kuba-Krise im Oktober 1962. Die Sowjetunion hatte Mittelstreckenraketen direkt „vor der Haustür“ der Vereinigten Staaten von Amerika stationiert. Nach der Berlin-Blockade 1948 und dem Bau der Berliner Mauer 1961 waren die „Thirteen Days“ die bedrohlichste Konfrontation zwischen beiden atomaren Großmächten.

Welche Ziele und Absichten haben die Sowjets?

Seit Ende August 1962 weiß der amerikanische Präsident, dass die Sowjetunion Boden-Luft-Raketen und Kampfflugzeuge auf der Insel stationiert. Am 14. Oktober steht fest, dass um San Cristobal, im Westteil der Insel, Abschussrampen für Mittelstrecken-Raketen (Reichweite ca. 1.600 Km) und um Guanalay für Raketen mit Reichweiten bis 3.500 km aufgebaut werden. John F. Kennedy wird informiert und analysiert die Lage mit seine engsten Beratern. Als zentrale Fragen kristallisieren sich heraus: 1. Wie groß ist das Ausmaß der atomaren Bedrohung durch die Raketenstationierung? 2. Was sind die Gründe und Ziele sowie die Absichten der Sowjets. 3. Was kann dagegen  getan werden?

Stationierung Sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba 1962

Guantanamo existiert bis heute

An der Spitze der Sowjetregierung steht Nikita Chruschtschow. In Kuba hat sich im Februar 1959 Fidel Castro an die Macht geputscht. Der dilettantische Versuch von Exilkubanern, mit Unterstützung der CIA, sein Regime  zu stürzen ist im April 1961 in der „Schweinebucht“ kläglich gescheitert. Das Verhältnis zu den USA seit dem mehr als belastet. Die US-Marine-Basis Guantanamo ein weiteres Ärgernis in den  Augen der Revolutionäre um Castro. Dieser versucht sich daher stärker mit und an die Sowjetunion zu binden. Das kommt der Regierung in Moskau entgegen. Sie sieht darin eine Chance, ihren geopolitischen Einfluss auf Amerika auszudehnen. Eine eigene Militärbasis auf Kuba wäre ein guter Stützpunkt, um im mittel- und südamerikanischen Raum Präsenz zu zeigen und politischen Einfluss zu gewinnen.  Im September hatte die Sowjetunion bekannt gegeben, dass die kubanische Regierung um Militärhilfe in Form von „Kriegsmaterial und Spezialisten zur Ausbildung der kubanischen Streitkräfte „ersucht“ hatte.

Quarantäne statt Seeblockade

Im Umfeld des Präsidenten bilden sich zwei Lager. Die „Falken“,  meist Militärs, raten zum Präventivschlag gegen den noch nicht abwehrfähigen Gegner und zur anschließenden Invasion Kubas, um das Castro-Regime ein für alle mal loszuwerden. Die „Tauben“ raten zu Zeitgewinn und Verhandlungen mit den Sowjets.

 

Die Kontrahenten: US-Präsident John F. Kennedy neben Ministerpräsident und KPdSU-Generalsekretär Nikita Chruschtschow

Die gesamten US-Streitkräfte werden, erstmals seit dem Beginn des Koreakrieges 1950, in Alarmbereitschaft versetzt Für vier taktische Jagdbombergeschwader wird Gefechtsbereitschaft angeordnet und rund 100 Kriegsschiffe und Truppentransporter um Kuba zusammengezogen. Um die Insel zu isolieren wird eine friedliche „Quarantäne“ und keine kriegerische „Blockade“ beschlossen, die am 24. Oktober in Kraft tritt. 800 Kilometer um Kuba beträgt ihr Radius, so dass keine sowjetischen MiG-Flugzeuge von der Insel die amerikanischen Quarantäneschiffe erreichen können.

Rede des Präsidenten an die Nation

Am 22. Oktober wendet sich John F. Kennedy in einer von allen Fernseh- und Rundfunkstationen in den USA übertragenen Rede an seine Landsleute. Er schildert darin die durch die Sowjets heraufbeschworene bedrohliche Konfrontation. Dann erklärt er seine Gegenmaßnahmen, die mit einem Appell an den sowjetischen Ministerpräsidenten enden. „Ich fordere den Vorsitzenden Chruschtschow auf, die geheime, verantwortungslose und provokante Bedrohung des Weltfriedens und der Beziehungen zwischen unseren beiden Nationen zu beenden. Ich fordere ihn ferner auf, seine Versuche, die Welt zu beherrschen, aufzugeben und sich an den historischen Bemühungen zu beteiligen, den Rüstungswettlauf zu beenden und damit den Lauf der Weltgeschichte in neue Bahnen zu lenken. Jetzt hat er Gelegenheit, die Welt vom Rand des Abgrunds zurückzuführen. Dabei muss er sich nur an sein eigenes Wort halten, dass er keine Raketen außerhalb des Gebietes der Sowjetunion postieren werde, und diese Waffen aus Kuba zurückzuziehen“. Unabhängig davon nutzt die USA rund um den Erdball alle diplomatischen Kanäle, um den demokratischen, den neutralen, den blockfreien aber auch den kommunistischen Staaten die schwerste Krise seit der Berlinblockade und dem Mauerbau deutlich zu machen.

Die Vereinten Nationen werden tätig

Sithu U Thant, Generalsekretär der VN, richtet einen Appell an die beiden Führer der Weltmächte, sich bei einem Treffen über eine friedliche Lösung der Probleme zu beraten. Chruschtschow und Kennedy erklären sich damit einverstanden. Der Birmane U Thant ist seit November 1961 Generalsekretär der VN. Er fordert beide Konfliktparteien auf, Zwischenfälle auf See zu vermeiden. Hier ist die Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation am größten. Die Versenkung eines sowjetischen Schiffes durch ein amerikanisches Kriegsschiff hätte Chruschtschow unweigerlich in die Situation eines Gegenschlags gebracht. Heute weiß man, dass Torpedos mit atomaren Sprengköpfen in den Abschussrohren geladen waren.

Am 26. und 27. Oktober erhält der Präsident zwei Briefe von Chruschtschow. Nach eingehender Analyse gehen die Meinungen im Exekutivausschuss des Nationalen Sicherheitsrates auseinander. Im zweiten Schreiben spielen die in der Türkei stationierten amerikanischen Jupiter-Raketen eine Rolle. Ihr Abbau ist längst vorgesehen, wurde aber von den Militärs noch nicht durchgeführt.

Persönliche Kommunikation ist nicht möglich

Kennedys antwortet und schreibt: „Werter Herr Vorsitzender, ich habe Ihren Brief vom 26. Oktober mit größter Aufmerksamkeit gelesen und begrüße Ihre erklärte Bereitschaft, eine prompte Lösung des Problems zu suchen. Das erste was jedoch geschehen muss, ist die Einstellung aller Arbeiten an den offensiven Raketenstellungen in Kuba und die Liquidierung –unter der Kontrolle der Vereinten Nationen – aller Waffensysteme auf der Insel, die aggressiven Zwecken dienen können.“ Am Sonntagmorgen um neun Washingtoner Zeit, es ist inzwischen der dreizehnte Krisentag, verliest Radio Moskau eine Erklärung Chruschtschows.

Kennedy Antwort wird über die „Stimme Amerikas“ nach Moskau ausgestrahlt.  Er sagt u.a.: „Ich begrüße den staatsmännischen Entschluss des Vorsitzenden Chruschtschow, den Bau von Stützpunkten auf Kuba einzustellen, die Offensivwaffen abzubauen und sie unter Kontrolle der Vereinten Nationen in die Sowjetunion zurückzusenden. Dies ist ein wichtiger und konstruktiver Beitrag zur Erhaltung des Friedens.“ Am Nachmittag des 27. Oktober wird die offizielle Antwort nach Moskau übermittelt.

Entspannung und Rüstungskontrolle werden in Gang gesetzt

Fidel Castro widersetzt sich den Absprachen zwischen dem Präsidenten und dem Generalsekretär. Auf Havannas Straßen kursiert ein Spottvers: „Nikita, Nikita, was man gegeben hat, nimmt man nicht zurück“. Wieder muss der Generalsekretär der VN vermitteln. Es dauert noch bis Anfang Dezember bis alle Raketen und Iljuschin-Bomber von der Insel Kuba abtransportiert sind.

In beiden politischen Lagern erkennt man, dass eine dauerhafte Aggression den Weltfrieden nur unsicherer machen wird. Konfrontation soll in Zukunft durch Entspannung und Aufrüstung durch Rüstungskontrolle abgelöst werden. Eine der ersten Maßnahmen ist daher die Einrichtung einer dauerhaften Telefon-/Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus in Washington und dem Kreml in Moskau.  Am 5. April 1963 wird das „Rote Telefon“ in Betrieb genommen. 

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