Gemeinsamer Parlamentarischer Abend von DWT und GfW

mit dem Staatsminister a.D. und stellvertretenden Vorsitzenden der

SPD- Bundestagsfraktion, Dr. h.c. Gernot Erler, MdB

Weltpolitik ist kein Reparaturbetrieb

Die Protagonisten des Abends: GfW-Präsidentin Ulrike Merten eingerahmt von Staatsminister a.D. Gernot Erler und DWT-Präsident Werner Dornisch

Berlin. „Aktuelle Herausforderungen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“, lautete der Themenkomplex des Parlamentarischen Abends am 20. November 2012. Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) und die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW) hatten dazu eingeladen. Gernot Erler, Staatsminister a.D und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion war Vortragender. Ulrike Merten, Präsidentin der GfW, begrüßte damit als Gastredner einen der „profundesten Kenner“ der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.

GfW-Präsidentin Ulrike Merten bei der Einführung zum Themenabend

Vinzenz Mayr sah keinen freien  Platz im Vortragssaal der Vertretung des Freistaates Bayern in Berlin. Unter den hochrangigen Gästen waren  Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SDP-Bundestagsfraktion, und Staatsekretär Rüdiger Wolf aus dem Verteidigungsministerium.

Vinzenz Mayr begrüßt die Gäste in der Vertretung Bayerns in Berlin

Afghanistan – Nahostkonflikt – Arabischer Frühling

In drei Themenbereiche teilte Gernot Erler seine Ausführungen. Nach Afghanistan, folgte der Arabische Frühling und schließlich Mali. Welche Herausforderungen und Lehren sind aus dem Afghanistaneinsatz zu ziehen? Die International Security Assistance Forces (ISAF) befindet sich in ihrer letzten Phase. Waren einmal bis zu 130.000 Soldaten in Afghanistan, sind es momentan 120.000 Mann. Die Anzahl der Bundeswehrangehörigen wird von 5.300 auf 4.400 und dann auf 3.300 reduziert. Immer mehr Aufgaben werden an afghanische Sicherheitskräfte übergeben. Dabei darf nicht übersehen werden, dass rund 80 Prozent Analphabeten sind. Die Finanzierung der ANA (Afghan National Army) wird auch noch über einen längeren Zeitraum notwendig sein. Deutschland hat sich bereit erklärt 450 Millionen Euro pro Jahr dafür zur Verfügung zu stellen. Die in letzter Zeit häufiger aufgetretenen Attentate durch Innentäter macht die Situation für die ISAF Truppen nicht einfacher. Angesprochen wurde auch die Qualität der Administration, hier sind Mängel zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass in Afghanistan am 5. April Präsidentenwahlen sind. Im Vorfeld von Wahlen gab es immer eine kritische Sicherheitslage.

Gernot Erler analysiert die „Sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands“

Beim Abzug der ISAF verlieren tausende afghanische Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz und sind womöglich gefährdet. Die heimische Wirtschaft wird auch darunter leiden und in so einer Situation ist kaum mit ausländischen Investitionen zu rechnen.

Der Beschluss der NATO sich von Anfang November weiter in Afghanistan zu engagieren steht jedenfalls. Die Abkürzung für die Folgemission ITAAM ab 2015 steht für International Training Assistance and Advisory Mission. 34 Nationen haben sich bereit erklärt dabei mit zumachen. Über die Anzahl der dann beteiligten Truppen wird es noch manchen Verhandlungsbedarf geben. Von eins zu fünf bis eins zu acht „Peripherieleuten“ wird gesprochen.

Der Staatsminister wies darauf hin, dass man bei den Lehren nicht die Vorgeschichte aus den Augen verlieren darf. Waffen in den Händen der Taliban stammen noch von den sowjetischen Truppen, die 1979 in Afghanistan einmarschiert waren. Was für eine Alternative hätte es für den militärischen, völkerrechtlich sanktionierten Einsatz gegeben? „Die Bilanz ist nicht besonderes ermutigend, Al Quaida ist weiterhin tätig“, meinte der Referent. Die Idee des "nation building" war zu hoch gegriffen und zu anspruchvoll gedacht. Welche präventive Politik hilft, Fälle wie Afghanistan oder Somalia zu vermeiden. Somalia als Failed State ist ein Beispiel dafür, wie die Politik versagt hat. Die Kosten für  bis heute laufenden Somaliaeinsatz werden auf über sieben Milliarden US-Dollar geschätzt.

Es brennt an vielen Stellen

Mit Ausführungen zum arabische Frühling befasste sich Gernot Erler im zweiten Teil. Begonnen hatten die Unruhen in Ägypten. Sie führten ohne ausländische Intervention zum Sturz des Regimes von Hosni Mubarak. Dass der neue Präsident Mohammed Mursi, eine intensive Vermittlerrolle im Nahostkonflikt spielen würde, konnte der Referent an diesem Abend noch nicht wissen.

DWT-Präsident Werner Dornisch und Gernot Erler bei der Fragerunde

Der Bürgerkrieg in Libyen führte zum Sturz des Diktators Gadafi und war nur mit Unterstützung der NATO möglich. Ein Teil der Tuaregrebellen, hat sich mit den Waffen nach Mali abgesetzt und versucht nun, die Idee eines unabhängigen Staates umzusetzen. Inwieweit die Deutschen an einer EU/UN-Truppe beteiligt sein werden, wird Anfang Dezember im Bundestag entscheiden..

Die Kämpfe in Syrien stehen weiter im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Die strategischen Interessen Russlands verhindern einen Beschluss der Vereinten Nationen im Sicherheitsrat. Der Hafen von Tartus ist die einzige Basis, die von russischen Kriegsschiffen genutzt werden kann.

Eine Lehre kann aus den Konflikten im Maghreb gezogen werden. Die Regionalpolitik der EU ist gescheitert. Auch die Mittelmeerunion hat nicht zur Beruhigung der Lage beigetragen. Die sozialen Spannungen werden auch weiter bestehen. 70 Prozent der Bevölkerung ist unter 35Jahren und die Masse davon hat keine Arbeit.

Ulrike Merten dankt mit einem „Flüssigen Präsent“

Auch das Konzept Responsibility to Protect (R2P) wurde angesprochen.  Schutzverantwortung ist ein Konzept der internationalen Politik. Darunter wird die Verantwortlichkeit eines Staates für seine Bürger verstanden.

Im letzten Teil der Ausführungen, ging es um den Nahost-Konflikt. Dieser verdrängt aktuell die Sicht auf das iranische Atomprogramm. Im Gazakonflikt haben sowohl Palästinenser wie  Israelis die rote Linie überschritten. Raketenbeschuss bis nach Tel Aviv ist für Israel nicht hinnehmbar.

Diskussionsstoff gab es genug

Geschlossenheit der EU wäre sinnvoll

In der Zusammenfassung betonte Gernot Erler, dass sowohl an Deutschland wie an die EU hohe Erwartungen zur Krisen- und Konfliktbewältigung gestellt werden. Ein Engagement in Afghanistan noch weiter notwendig sein wird Die Enthaltung Deutschlands in der UN im Fall Libyen und das Vorpreschen des französischen Präsidenten, genau so wie die Anerkennung der Opposition in Syrien durch Frankreich, kritisch zu sehen sind. Gerade bei den aktuellen Krisen wäre die Geschlossenheit der EU notwendig gewesen. Letztlich zeigt sich, dass militärische Interventionen immer langfristig sind.

Werner Dornisch, Präsident der DWT moderierte die anschließende Aussprache.

Peter E. Uhde

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