Keine Atempause für die Außen- und Sicherheitspolitik

Über 300 Teilnehmer auf dem Petersberg  © N. Ziegert/Public-Security

Die 9. Petersberger Gespräche zur Sicherheit fanden wieder im Gästehaus der Bundesregierung hoch über dem Bonner Rheintal statt. Wolfgang Hellmich, Mitglied des Deutschen Bundestages sowie im Verteidigungsausschuss und Oberst Ulrich Kirsch,  Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes, begrüßten über 300 Teilnehmer, die der  Einladung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Karl-Theodor-Molinari-Stiftung / Bildungswerk des Deutschen Bundeswehr-Verbandes gefolgt waren.

Die nun zum neunten Mal ausgerichtete Kooperationsveranstaltung ist in der sicherheitspolitischen Community fest installiert. Gegründet hat sie Ulrike Merten, die jetzige Präsidentin der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, als sie  MdB und Vorsitzende des Verteidigungsausschuss war. „Deutsche und Europäische Außen- und Sicherheitspolitik“ sowie die „Neuausrichtung der Bundeswehr“ waren die Themen der Veranstaltung am 9. März. Angeführt wurde die Rednerliste von Frank-Walter Steinmeier, MdB und Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag. Das Verteidigungsministerium war durch Staatssekretär Stéphane Beemelmans vertreten.

SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier führte die Rednerliste an  © N. Ziegert/Public-Security

Absichten und Tatsachen klaffen auseinander

 Europa befindet sich in einer politischen und finanziellen Krise. Was kann es sich sicherheitspolitisch eigentlich noch leisten? Nationale Interessen überdecken die gut gemeinten Absichtserklärungen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Wie soll es weitergehen mit einer gemeinsamen Rüstungs- und Industriepolitik, die dringend notwendig ist, da die Staaten die Kosten für die Wehretats  nicht mehr tragen können? Zukunftssorgen klingen überall durch. Gieren nach Anerkennung habe er bei seinen Truppenbesuchen nicht festgestellt, meinte Wolfgang Hellmich bei seinem Eingangsstatement.

MdB Wolfgang Hellmich (SPD) bei seinem Eingangsstatement  © N. Ziegert/Public-Security

Ulrich Kirsch, der die Petersberger Gespräche seit fünf Jahren begleitet, erinnerte daran, dass die SPD seit 2007 für eine gemeinsame Sicherheitspolitik eintrete, sie verabschiedete damals ein Positionspapier „Auf dem Weg zu einer Europäischen Armee“. Kirsch wies in seinen Ausführungen auf die Bewährung in der multinationalen Zusammenarbeit hin und begrüßte dabei den Verteidigungsattaché der französischen Botschaft Generalmajor Philippe Chalmel, der von 2009 - 2011 die deutsch-französische Brigade führte. Auch das Multinationale Korps Nord-Ost in Stettin, mit deutscher, dänischer und polnischer Beteiligung ist ein gutes Beispiel für militärische Integration.

Keine Aussicht auf  Wachstum des Wehretats

Frank-Walter Steinmeier, zurück aus den Vereinigten Staaten, brachte den Eindruck  mit, dass in den USA wieder ein Überdenken der Sicherheitsstrategie stattfindet.  Die Hinwendung zum asiatisch-pazifischen Raum scheint wieder etwas in Frage gestellt zu werden. Der Abzug aus Afghanistan und die Übergabe der Verantwortung an die heimischen Sicherheitskräfte sind beschlossen. Eine Erkenntnis, insbesondere aus diesem Auslandseinsatz ist, das gilt für alle beteiligten Nationen, dass man seine Fähigkeiten überschätzt hat.  Nun beginnt eine neue Phase, in der der zivile Aufbau im Vordergrund stehen müsse. Die Debatte über dreizehn Jahre Auslandseinsätze und die entsprechenden Lehren daraus, steht noch bevor. Eines ist aber schon jetzt klar, die Entwicklung gemeinsamer Fähigkeiten ist zu forcieren. Auch die NATO ist nicht abgeschrieben, das zeigt sich jetzt gerade wieder an dem Einsatz der Flugabwehrraketen an der türkischen Grenze zu Syrien mit ihrer Fähigkeit, das Bündnisgebiet zu schützen. Die NATO ist auch für die USA als wichtigstes Instrument der Partnerschaft mit den europäischen Verbündeten nicht zu ersetzen. Auch in ihrer Rolle als Dienstleister für die Vereinten Nationen gibt es keine Alternative. Die Debatte über Drohnen, bewaffnete Drohnen und deren Einsatz, muss geführt werden.

Die beiden Veranstalter MdB Hellmich und DBwV-Vorsitzender Oberst Kirsch im Gespräch mit MdB Frank-Walter Steinmeier und dem Wehrbeauftragten Königshaus     © N. Ziegert/Public-Security

 Die Europäische Union (EU) hat in den Krisen und Konflikten der letzten Monate die Grenzen ihrer Fähigkeit aufgezeigt bekommen. Die Idee einer Europäischen Armee ist noch da, wenn auch der Redner sie nicht in den nächsten Jahren sieht. Ein Grundverständnis der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) muss gefunden werden. Deutschland, Polen und Frankreich sollten hier einen Schritt machen. Einer „Weimarer Sicherheitsstrategie“ könnten sich andere EU-Staaten anschließen. Ein sicherheitspolitisches Weißbuch der 27 EU-Staaten steht aber noch in den Sternen. Anmerkungen zur Finanz- und Wirtschaftskrise flossen in Steinmeiers Vortrag ein. Mit einer Erhöhung des Wehretats ist in Zukunft nicht zu rechnen. Daher muss über Aufgabenteilung in den militärischen Fähigkeiten nachgedacht werden.

Nationale Schranken sind zu akzeptieren

Jerzy Marganski, seit vier Wochen Botschafter der Republik Polen in Berlin, plädierte dafür, dass die EU mehr Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen müsse. Die anfängliche Skepsis Polens gegenüber der GASP  hat sich  geändert. Notwendig wäre eine Verbesserung der Krisen- und Reaktionsfähigkeit. Die EU-Battlegroups sind nicht funktionsfähig. Eine transatlantische Lastenteilung  ist auch aus polnischer Sicht notwendig.

Generalmajor Chalmel meinte, dass die Zukunft  der Außen- und Sicherheitspolitik auch historisch zu betrachten sei. Er erinnerte an das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Anfang der fünfziger Jahre,  an die kleinen Schritte der deutsch-französischen Zusammenarbeit und forderte ein sicherheitspolitisches Gesamtkonzept. Deutschland und Frankreich sind ein Bindeglied in Europa, wobei nationale Schranken zu akzeptieren sind.

Es gibt noch viel zu tun

Staatssekretär Beemelmans erläuterte dem Auditorium die Gründe und den augenblicklichen Sachstand der Neuausrichtung der Bundeswehr. Er betonte, dass bei dieser Reform „am Kopf“, also dem Verteidigungsministerium angefangen wurde. Er wies darauf hin, dass die Bundeswehr eigentlich immer unterfinanziert gewesen sei.

Im Gegensatz sah Rainer Arnold, Verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, keine Veränderung der sicherheitspolitischen Lage. Man hätte „was gut läuft“ so lassen sollen und nur notwendige Verbesserungen einführen sollen. Er stellte auch die Frage nach der Vision einer Europaarmee. In Deutschland gibt es keine Initiative dazu. Welche Menschen werden zukünftig in die Streitkräfte eintreten? Die Arbeit bleibt, das Personal ist weg, ist immer wieder zu hören.

Erfolgreiche Selbstdarstellung von GfW und ES&T   © N. Ziegert/Public-Security

Jürgen Bühl, Leiter Arbeitskreis Wehrtechnik und Arbeitsplätze der IG Metall, erläuterte den Handlungsbedarf aus Sicht der Beschäftigten in der Industrie. Er verwies darauf, dass Fähigkeiten, die einmal „weg sind, weg sind“. Der Strukturwandel ist vorausschauend zu begleiten. Die Gespräche über Arbeitsplätze sind nicht nur mit den Arbeitgebern, sondern auch mit der Gewerkschaft zu führen.

Verbandsvorsitzender Kirsch wies zum Schluss der Tagung auf die Mitgliederbefragung  des Verbandes zum Führungspersonal hin. Die Ergebnisse wären keine Empfehlung für die Streitkräfte und meinte „da gibt es noch viel zu tun“. 

In seinem Schlusswort dankte Wolfgang Hellmich dem Koordinator und Moderator Hans-Joachim Schaprian und den Helfern im Hintergrund. Das  10. Petersberger Gespräch ist für den 15. März 2014 vorgesehen.

Peter E. Uhde 

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