Vor 100 Jahren:

Von Peter E. Uhde 

Attentat zu Sarajewo. Eine Illustration der französischen Zeitung  "Le Petit Journal" vom 12. Juli 1914. Autor unbekannt

Zu den Attentaten die den Lauf  der Weltgeschichte veränderten  und deren Folgen eine ungeahnte Katastrophe auslösten, gehört die Ermordung des österreichisch-ungarischen  Thronfolgers Erzherzog  Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie am 28. Juni 1914 in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo. Ob der Mord der Anlass zur „Urkatastrophe des 20. Jahrhundert“ war, wie der amerikanische Historiker und Diplomat George F. Kennan den Ersten Weltkrieg nannte, darüber gehen die Meinungen auch heute noch auseinander.

Südost-Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Franz Ferdinand war seit dem Selbstmord seines Cousins Rudolf 1889 Thronfolger in der k. u. k. Monarchie. Seit Juli 1900 war er verheiratet mit Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin, genannt Herzogin von Hohenberg. Die morganatische Ehe führte für ihre gemeinsamen Kinder zum Verzicht auf die Thronfolge. Ein tiefes Zerwürfnis zu Kaiser Franz Joseph prägte das verwandtschaftliche Verhältnis.  Der Monarch, 1830 geboren, regierte den Vielvölkerstaat seit dem 2. Dezember 1848.

Der Besuch des Thronfolgers in den Provinzen Bosnien und Herzegowina war länger geplant und diente dem Zweck, das Ansehen der Monarchie zu verbessern, das seit der Annexion der Provinzen 1908 ständig schlechter geworden war. Zudem war ein Manöverbesuch vorgesehen, denn der Thronfolger war von dem greisen Kaiser 1913 zum „Generalinspekteur der gesamten bewaffneten Macht“ ernannt worden.      

Die in den Provinzen wohnenden Serben strebten nach einer Vereinigung mit Serbien. Der 28. Juni ist in Serbien ein besonderer Tag. Am „Vivodan“- Sankt-Veits-Tag gedenken sie des Kampfes gegen die Fremdherrschaft der Osmanen 1389 auf dem Amselfeld. Der Sonderzug mit dem Thronfolgerehepaar kam am Vormittag in Sarajevo an. Das Paar stieg in einen offenen Wagen, um zum Empfang beim Bürgermeister zu fahren.

Der Zufall hilft dem Attentäter

Die Gruppe der für das Attentat vorgesehenen bestand aus mehreren Personen, sie hatten sich entlang der Fahrstrecke verteilt aufgestellt. Bewaffnet mit Pistole oder Bombe und Gift, für den vorgesehenen Selbstmord nach erfolgreichem Attentat. Zwei Personen aus der Gruppe wurden passiert ohne ihre Waffen einzusetzen, der dritte warf eine Bombe auf das Fahrzeug des  Thronfolgerehepaar, sie prallte ab und explodierte unter dem folgenden. Es gab einige Leichtverletzte unter den am Wegesrand stehenden. Nach Begutachtung der Situation entschied Franz Ferdinand weiter zum Rathaus zu fahren.  Nach Ende des Empfangs beabsichtigte der Thronfolger den verletzten Oberst Erik von Merizzi im Krankenhaus aufzusuchen. Die Fahrer der Kolonne wurden darüber nicht informiert und setzten die ursprünglich geplante Strecke fort. Der Befehl zur Streckenänderung erforderte dann ein rangieren und wenden. Dabei kam der Thronfolgerwagen zum Stehen. Direkt gegenüber, zwischen den Zuschauern,  stand Gavrilo Princip, der auf den Wagen zutrat und mit zwei Revolverschüssen Sophie und Franz Ferdinand tötete.  Umstehende überwältigten den Attentäter. Er konnte das Gift noch schlucken, es hatte aber keine tödliche Wirkung.

Schuldig in allen Anklagepunkten

Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass der serbische Geheimdienst und die „Schwarze Hand“, eine Geheimorganisation, in die Verschwörung eingebunden waren. Gavrilo Princip, ein bosnischer Serbe, war 19 Jahre alt, kam aus ärmlichen Verhältnissen und schwärmte für Serbien. Im Oktober 1940 kam es in Sarajevo zum Prozess gegen 25 Angeklagte. Darunter Helfer, deren Beteiligung an den Vorbereitungen des Attentats geklärt werden sollte. Die Anklage lautete auf Mord, Beteiligung am Mord und Hochverrat. Nach dem Gesetz waren sie  österreichische Staatsangehörige. Princip wurde in allen Anklagepunkten für schuldig befunden und erhielt, weil er noch nicht 20 Jahre war, eine Haftstrafe von 20 Jahren. Er starb am 28. April 1918 im Gefängnis. Die Leichen von Franz Ferdinand und Sophie wurden nach Artstetten überführt und in der Familiengruft beigesetzt.  

Die „Julikrise“ erfasst Europa

Sofort nach den Todesschüssen begannen die diplomatischen Kanäle zu glühen. Die „Julikrise“ erfasste alle Nationen. Am 23. Juli 1914 überreichte Österreich-Ungarn an Belgrad ein auf  48 Stunden befristetes Ultimatum, dessen Annahme die serbische Souveränität einschränken würde. Am 25. wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten abgebrochen, sie riefen die Mobilmachung aus. Deutsche und englische Vermittlungsversuche scheiterten. Österreich–Ungarn erklärte Serbien am 28. Juli den Krieg. Am 31. Juli machte Russland mobil und stellte sich an Serbiens Seite. Am 1. August folgte die Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Russland und die allgemeine Mobilmachung. Auch Frankreich hatte die Mobilmachung erklärt, dem das Deutsche Reich dann am 3. August den Krieg erklärte. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen ins neutrale  Belgien am 3. und dem Eintritt Englands am 4. August in den Krieg nahm die „Urkatastrophe“ ihren Lauf.

Europa vor und nach dem Ersten Weltkrieg  Quelle: Putzger - Historischer Weltatlas

Die Kriegshandlungen endeten mit dem Waffenstillstand in Compiègne am 11. November 1918. Rund zehn Millionen Menschen starben in den vier Kriegsjahren auf den Schlachtfeldern  Europas. Auf dem Territorium der zerfallenen Vielvölkerstaaten Österreich und Russland entstanden zehn neue Staaten: Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen Tschechoslowakei, Österreich, Ungarn, Sowjetrussland sowie das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Sprengstoff für neues Krisen- und Konfliktpotential in der Zukunft war damit genügend vorhanden.

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