Nürnberger Sicherheitstagung 2013

Von Peter E. Uhde

Keynotespeaker: Bundesaußenminister Guido Westerwelle

Das Programm der 13. Nürnberger Sicherheitstagung stand unter dem Fragenkomplex  „Brauchen wir eine neue Europäische Sicherheitsarchitektur?“. Um aber die nationale Komponente nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen, hatten die Veranstalter den zweiten Themenblock des Programms: mit „Konsequenzen aus den Deutschen Erfahrungen mit Auslandseinsätzen“ überschrieben. An zwei Tagen (20./21. Juni) richteten sich die Blicke des fachinteressierten Publikums einmal nicht in die bayrische Landeshauptstadt zur Münchner Sicherheitskonferenz, sondern ins fränkische Nürnberg. Im Gegensatz zur Münchner Sicherheitskonferenz, die auf höchster politischer Ebene angesiedelt ist, ist die Nürnberger Sicherheitstagung eine politische Bildungsveranstaltung, die Interessierten offen steht und aus öffentlichen Mitteln gefördert wird.

Nach der Begrüßung durch Gisela Bock (Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit/Thomas Dehler Stiftung) und dem Grußwort von Raimund Kirch (Chefredakteur der Nürnberger Zeitung), umriss der Tagungsleiter Joachim Spatz (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages, die augenblicklichen Krisen- und Konfliktprobleme der internationalen Staatengemeinschaft. Vom militärischen Einsatz der Franzosen in Mali über die Streitkräftestrukturen der EU-Staaten, die mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten, neue strategische Herausforderungen oder unterschiedliche Interessensphären der Mitgliedstaaten erfordern zukunftsfähige Sicherheitsstrukturen.

Krisen lösen bevor Konflikte daraus werden

Als ein Höhepunkt der Nürnberger Sicherheitstagung war es den Trägern der Veranstaltung gelungen, den Bundesminister des Auswärtigen Guido Westerwelle als Gastredner zu gewinnen. Er bedauerte, dass Außen- und Sicherheitspolitik immer erst in Krisen an Bedeutung zunehmen. Ziel der Politik müsse es sein, Krisen zu lösen und Konflikte zu vermeiden. Der augenblickliche Wandel in der vernetzten Welt ist zu vergleichen mit dem Übergang vom Agrar- zum Industriezeitalter. Die politischen Kontinentalverschiebungen dürfen den Blick auf den gesamten Globus nicht vernachlässigen. Die Bedeutung der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) oder des Verbandes südostasiatischer Nationen (ASEAN) wird zunehmen.  

Auch auf dem afrikanischen Kontinent werden die Probleme größer werden. „Wir müssen schneller werden“, forderte der Außenminister. Damit meinte er u.a., dass in Panama 80 % der Bevölkerung dem Kanalbau zugestimmt haben oder in Singapur drei Wolkenkratzer in fünf Jahren gebaut worden sind. Noch nicht abzuschätzen sind die demographischen Entwicklungen in den bevölkerungsreichen Ländern der Welt. Der Westen muss sich als Wertegemeinschaft verstehen und kann nur gemeinsam die anstehenden Probleme versuchen zu lösen. Die Vereinigten Staaten von Amerika bleiben wichtigster Partner. Die Rede von Präsident Barack Obama am Brandenburger Tor am Tag zuvor, in der dieser u.a. den Abbau der Atomsprengköpfe ankündigte, bewertete der Außenminister als positiv, wies aber auch darauf hin, dass Russland bei dem Prozess mitwirken muss. Auch an die neue iranische Führung unter Präsident Hassan Rohani gebe es hohe Erwartungen, nicht nur aus deutscher, sondern aus europäischer und internationaler Sicht.

Deutschland engagiert sich politisch und wirtschaftlich

Zu Afghanistan meinte Westerwelle, dass mit Beginn der letzten Phase  des ISAF Einsatzes die afghanischen Sicherheitskräfte Ruhe und Ordnung im Land sicherstellen müssten. Er dankte ausdrücklich den deutschen Soldaten für ihren Einsatz am Hindukusch. Von der Nahost-Initiative des amerikanischen Außenminister John F. Kerry  erhoffe er sich eine Beruhigung vor Ort. Die Situation in  Syrien bezeichnete der Außenminister als „bestürzend“. Er betonte auch, dass Deutschland keine Waffen an die Opposition liefern werde und wies auf die finanzielle Hilfeleistung Deutschlands von 200 Millionen Euro hin. Das ist die höchste Zusage, die Deutschland je in einem Konfliktfall gemacht hat. Zusammenfassend meinte Westerwelle, dass Deutschland in Europa relativ groß, in der Welt aber relativ klein ist.  Die Möglichkeit dem Außenminister Fragen zu stellen, ließen sich die Teilnehmer nicht nehmen und sie bekamen auch ihre Antwort. Der Applaus zur Verabschiedung klang ehrlich und in der anschließenden Mittagspause wurde der Auftritt noch eingehend besprochen und nachbereitet.

Theoretische und praktische Erfahrungen aus Auslandseinsätzen

Markus Kaim (Stiftung Wissenschaft und Politik) reflektierte die bisher abgeschlossenen und laufenden Auslandsmissionen. Das Spannungsverhältnis im Völkerrecht zwischen Legalität und Legitimität tritt immer wieder auf. Die nationalen Interessen der an Auslandseinsätzen beteiligten Nationen sind im Prinzip immer vorhanden. Militärische Erfolge haben oft mit den politischen Erfolgen, wenn sie erreicht werden, nichts zu tun. Er befürwortet „ein schmales Mandat“, da es den beteiligten Akteuren Handlungsspielräume lasse. Auslandseinsätze werden auch zukünftig bleiben. Relativ unbekannt in der Öffentlichkeit ist das  Zentrum für internationale Friedenseinsätze, dessen Direktorin Almut Wieland-Karimi über die Tätigkeit der Institution berichtete. Es gehört mit seinen vierzig Mitarbeitern zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, hat rund 1.300 Experten in seinem Personalpool  und ist hauptsächlich in den Krisen- und Konfliktstaaten im Einsatz. Durch präventives Handeln und effektive Durchführung der anstehenden Probleme wird versucht, durch einen umfassenden Ansatz Nachhaltigkeit zu erreichen. Sie bedauerte, dass es bei den Medien immer weniger Auslandsexperten gebe und dadurch sachgerechte Berichterstattung, auch über Erfolge, fehle.

Das ungelöste Kosovo-Problem

Generalmajor Erhard Drews berichtete von seinen Erfahrungen als Kommandeur der KFOR aus dem Kosovo. Der Blick auf den Balkan ist durch andere weltpolitische Ereignisse unscharf geworden. Das Militär kann die politischen und ethnischen Probleme nicht lösen. Seine Gegenwart verhindert nur die Ausbrüche von Gewalt. Sein Einführungsreferat bildete den Einstieg in eine Podiumsdiskussion mit Winfried Nachtweih (MdB. a.D./Sicherheitspolitiker Bündnis 90/Die Grünen, Bernd Mützelburg (Botschafter a.D., ehemaliger Sonderbeauftragter für Afghanistan/Pakistan) und Marco Seliger (Chefredakteur „Loyal“) unter Leitung von Generalleutnant a.D. Heinz Marzi.

Hier ging es hauptsächlich um Afghanistan. Fehler des Einsatzes sind von Anfang an gemacht worden. Auftrag, Ziele und Mittel waren unklar und was nach der Rückverlegung mit dem Land geschieht ist völlig offen. Für Bernd Mützelburg war es ein Fehler, die Taliban in den Gesprächen über die Zukunft des Landes außer Acht zu lassen. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage das Sicherheitsvakuum, das nach Abzug der ISAF Truppen entstehe, effektiv zu füllen.  „Wir lügen uns in die Tasche“ bilanzierte Marco Seliger. Für Winfried Nachtweih ist die Afghanistanbilanz „verheerend“.

Wechsel der Ratspräsidentschaft zu Litauen

Bei einem festlichen Abendessen im Nürnberger Rathaus richtete der Botschafter von Irland in Deutschland S.E. Dan Mulhall den Blick auf Europa. Er erläuterte wie sein Land durch die Euro- und Wirtschaftskrise gekommen ist. Nach Irland  übernimmt mit Litauen eine ehemalige Sowjetrepublik für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft. Der stellvertretende Parlamentspräsident Petras Austrevicius war Gast der Nürnberger Sicherheitstagung. In seiner Tischrede merkte man ihm den Stolz und die Freude über das Ereignis an.

Weiterentwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik

Den Bogen von der „Sicherheit voreinander“ zur „Sicherheit miteinander“ spannte Johannes Varwick.  Im europäischen Kontext sind es immer wieder zwei Abkürzungen GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) und GSVP (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik), die in der Berichterstattung verwendet werden. Für den Wissenschaftler (Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik/Universität Halle-Wittenberg) ist die Europäische Union eine Erfolgsgeschichte mit Strukturproblemen. Momentan ist bei der Sicherheitspolitik eine Stagnation eingetreten. Es müsse geklärt werden welche Risiken, welche Reichweiten, mit welchen Verbündeten und Partnern, welchen Mitteln und welche politische Aufgabe Sicherheitspolitik erfüllen muss. Die Vorstellungen darüber gehen in den jetzt 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auseinander. Die Suche nach einem tragfähigen Leitbild der „Friedensmacht“ dauert fort. Johannes Varwick bezeichnete die EU als „Konjunktiv-Macht“. Wie könnte es weitergehen? Ein europäisches Weißbuch zur Sicherheitspolitik, bessere Arbeitsteilung, d.h. hin zu einer Europaarmee, wären Schritte in die Zukunft. Vom EU-Gipfeltreffen im Dezember d.J. erhofft er sich Impulse bei GASP und GSVP. Auch im Verhältnis zu Partner der NATO müsse die EU an Stärkung denken.

Auf dem Podium v.r. Joachim Spatz, Johannes Varwick, Rainer Erdel, Petras Austrevicius, Dolmetscherin

Rainer Erdel (MdB/FDP) wies in seinem Statement auf die Einbindung der Bundeswehr als Parlamentsarmee hin. Der Oberst d.R. und stellvertretende Präsident des Reservistenverbandes sieht die Zukunftsprobleme nicht geringer werden und sie werden kommende Generationen noch mehr beschäftigen. Joachim Spatz leitete die anschließende Diskussion, in der die Abgabe von nationalen Hoheitsrechten zur Sprache kam.

Europa muss handeln können     

Den Schluss der Tagung leitete Generalleutnant Markus Bentler ein. Als deutscher Vertreter in den Militärausschüssen der NATO und des EUMC bilanzierte er die militärische und militärpolitische Situation in Brüssel. „Wir müssen Fähigkeiten bilden, die nichts kosten“, wie das zu machen ist, dafür gibt es sicher keine Patentlösungen. Vom Dezembergipfel erhofft er sich ein klares Bekenntnis der politischen Führung  zu GSVP. Er erwartet eine Signalwirkung und kommunikative öffentliche Wahrnehmung. „Wir brauchen eine neue  EU-Sicherheitsstrategie“, die Krisenreaktionskräfte müssen stärker und ihre Fähigkeiten entwickelt werden. Für eine Europaarmee ist die EU noch nicht vorbereitet. Den Blick über den Atlantischen Ozean richtete Michael Paul (SWP). Die Vereinigten Staaten von Amerika werden nicht willens und nicht fähig sein, alle Weltprobleme zu lösen. Die Handelsströme Europas verlaufen auch im asiatischen Raum, das  bedeutet. auch die europäischen maritimen Kräfte zu stärken. Einig waren sich beide, dass sich Europa nicht unter Wert verkaufen dürfe. Die Zusammenfassung der Inhalte der Tagung oblag Heinz Marzi. Er dankte Organisatoren und Trägern zu denen der Deutsche BundeswehrVerband, die Clausewitz-Gesellschaft, die Gesellschaft für Wehr-und Sicherheitspolitik, der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr und die Deutsch-Atlantische Gesellschaft gehörten. Kooperationspartner war der Arbeitskreis Bundeswehr und Wirtschaft Bayern.   

Fotos: Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit

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