Sturmflutkatastrophe Februar 1962 -

Die Bundeswehr im Einsatz

 Von Peter E. Uhde

Mit orkanartiger Geschwindigkeit kommt die Katastrophe. Die Wassermassen der Nordsee werden in die Mündungen von Elbe, Weser und Ems gedrückt. In der Nacht bricht der erste Deich. An mehr als 60 Stellen reißen die Fluten Löcher und nehmen mit was ihnen im Wege steht. Menschen und Tiere werden Opfer der Naturgewalt.

 

Der völlig überflutete Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, auf einer Elbinsel gelegen, am 17.02.1962

Foto: Gerhard Pietsch, Hamburg (Nutzung gemäß GNU Free Documentation License)

Am 16. Februar, es ist ein Freitag, steht etwa ein Fünftel Hamburgs unter Wasser, die schmutzige Brühe reicht bis zum Rathausplatz. 100.000 Menschen sind von den Fluten eingeschlossen, 20.000 obdachlos. Telefonverbindungen, Strom- und Gasversorgung sind zusammengebrochen, Hamburg liegt im Dunkeln. In der Nacht vom 16./17 Februar  beträgt der Pegelstand 5,77 Meter über dem mittleren Hochwasser von 1,67 Meter über Normal-Null.

Land unter Wasser

Alarmpläne werden ausgelöst, Warnmeldungen über Rundfunk verbreitet. Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Hamburger Truppenteile ahnen nicht was auf sie zukommt. Nach dem ersten Deichbruch überfluten die Wassermassen den Stadtteil Wilhelmsburg, auf einer Insel zwischen Norder- und Süderelbe gelegen. Verzweifelte Versuche die Bevölkerung aus den Betten zu holen und zu evakuieren gelingen nur in wenigen Fällen. Sirenen funktionieren nicht mehr und wenn, weiß die Bevölkerung mit den Signalen nichts anzufangen. Das Wasser kommt mit einer Schnelligkeit, dass  die Bewohner auf Dachböden und Dächer flüchten. Bei Dunkelheit und Sturm, nur noch Wasser um sich, eine ausweglose Situation in die Tausende geraten. Am schlimmsten trifft es die Bewohner einer Laubenkolonie im Norden Wilhelmsburgs. Etwa gegen zwei Uhr wird der Deich hier weggerissen, gurgelnde Wassermassen überraschen sie teilweise im Schlaf, zweihundert Menschen ertrinken.

Chaos in den ersten Stunden

Die ersten Hilfsmaßnahmen verlaufen unkoordiniert. Das ändert sich erst als Hamburgs Innensenator Helmut Schmidt persönlich das Kommando im rasch gebildeten Krisenstab in die Hand nimmt. Erst am 13. Dezember 1961 hatte er den Posten des Hamburger Innensenators übernommen. Er beurteilt die Lage, erkennt die dramatische Situation und fordert Katastrophenhilfe durch die Bundeswehr, wohlwissend, dass er damit gegen geltendes Recht verstößt. Der Einsatz der Streitkräfte bei inneren Angelegenheiten ist zu dieser Zeit ausnahmslos verboten.

Das in Harburg stationierte Pionierbataillon 3 ist schon in der Nacht mit seinen Booten im Einsatz und rettet unzählige Bewohner aus den unter Wasser stehenden Häusern. Nach Tagesanbruch und im laufe der folgenden Stunden wird das Ausmaß der Sturmflut immer deutlicher, das Lagebild im Katastrophenstab immer düsterer.

Mehrere Hubschrauber der Heeresflieger beginnen mit Rettungsmaßnahmen. Sturmböen über 100 km/h machen den Piloten und Helfern schwer zu schaffen. Truppenteile aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen treffen im laufe des Samstag ein. Nunmehr wird systematisch nach Bewohnern gesucht und Ertrunkene werden geborgen.

Unübersehbare Schäden

Am Sonntag ist die Stärke der Bundeswehr auf 22 Verbände und selbständige Einheiten mit rund 6.000 Soldaten und 60 Hubschraubern aufgewachsen. Aber auch die USA, Großbritannien, Belgien, Dänemark und die Niederlande schicken Soldaten, z.B. Kampf- und Rettungsschwimmer um nach Ertrunkenen zu suchen. Über 4.000 Tierkadaver sind schnell zu bergen, um eine Seuchen zu vermeiden.

Allmählich beruhigt sich die Wetterlage und vom Montag besteht keine unmittelbare Gefahr mehr für die eingeschlossene Bevölkerung. Schadensaufnahme und -beseitigung beginnen. Erste Schätzungen der Schäden liegen bei einer Milliarde Mark, später werden sie auf über drei Milliarden korrigiert.

Größter Katastropheneinsatz seit Bestehen der Bundesrepublik

Etwa 8.000 Soldaten von Heer, Luftwaffe und Marine mit 82 Hubschraubern, 4.000 alliierte Soldaten mit 19 Hubschraubern, 400 Bundesgrenzschützer, 1.700 Feuerwehrleute, 2.000 Mann vom Technischen Hilfswerk, 1.000 DRK-Helfer und 640 anderer Hilfsorganisationen, 400 Bereitschaftspolizisten, die gesamte Hamburger Polizei mit rund 5.000 Beamten standen im Rettungseinsatz.

Die Sturmflutkatastrophe forderte 312 Tote in Hamburg, in Niedersachen 19 und 6 in Bremen, darunter 9 Kameraden, die in soldatischer Pflichterfüllung hierbei den Tod fanden. Am 26. Februar nahmen mehr als 100.000 Menschen auf dem Rathausplatz Abschied von den Flutopfern.

Auszeichnung für verdiente Helfer

Erst am 3. März 1962 beendete die Bundeswehr ihren Einsatz. Die Sympathien, die sich die Soldaten bei den Rettungseinsätzen und der nachfolgenden Schadensbeseitigung erworben haben, sind nicht vergessen. Ohne ihren Einsatz und besonders der der Hubschrauberbesatzungen, wäre die Zahl der Opfer noch größer gewesen.

Die Hansestadt Hamburg sowie die Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachen stifteten eine Flutmedaille, mit der die Soldaten und alle anderen Hilfskräfte für ihren Einsatz ausgezeichnet wurden.

Aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Bundeswehr in Hamburg wurde 1968 ein Gesetz erlassen, das den Einsatz der Streitkräfte in Katastrophensituationen erlaubte.

 

 Video: Sturmflut Hamburg 1962 - Teil I

 Video: Sturmflut Hamburg 1962 - Teil II      

 

 

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