Von Peter E. Uhde

Am 15. Februar 1989 überschritt der Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen in Afghanistan, General Boris Gromow, die Brücke über den Grenzfluss Amur-Darja. Propagandistisch inszeniert, sein Sohn empfing ihn mit einem Blumenstrauß, erklärte er: „Hinter mir ist kein einziger Sowjetsoldat mehr“. „Moskaus Vietnam“ hatte sein bitteres  Ende gefunden.  Die Folgen von  fast zehn Jahren Krieg im Land am Hindukusch waren etwa eine Million Tote und fünfeinhalb Millionen Flüchtlinge. Offiziellen Angaben zufolge verloren 15.000 sowjetische Soldaten ihr Leben auf afghanischem Boden. Andere Schätzungen gehen sogar von 50.000 Toten aus.

Merkel fordert: Truppenabkommen

Fünfundzwanzig Jahre sind seitdem vergangen. Seit Monaten läuft nun der Abzug der Bundeswehr vom afghanischen Kriegsschauplatz. Die Aussichten, dass ein deutscher General sich wie Gromow äußern wird, sind allerdings gering. Zwar sollen die Kampftruppen nach Deutschland zurückkehren, aber den Afghanen ist Ausbildungs- und Unterstützungshilfe für die Zukunft zugesagt. Bundeskanzlerin Merkel hat in den letzten Tagen mit dem afghanischen Staatspräsidenten  Hamid Karzai telefoniert und für ein formales Truppenabkommen votiert. Sollte das nicht kommen, ist die Anschlussmission der Bundeswehr, aber auch anderer ISAF-Truppen, wohl kaum gewährleistet.

 „Brüderliche Hilfe“ für das kommunistische Regime

Zwischen dem 24. und 27. Dezember 1979 landeten sowjetische Spezialtruppen auf dem Flughafen in Kabul und besetzten alle wichtigen Führungsstellen in der Hauptstadt. Die kommunistische Regierung Amin hatte  „brüderliche Hilfe“ angefordert. Die Welt war völlig überrascht und geschockt. Gab es eine neue Dimension des Kalten Krieges fragte man sich in der westlichen Welt. Auf diplomatischen Wegen wurde versucht die Sowjetunion zum Rückzug zu bewegen. Sie ließ sich nicht darauf ein. Die Intervention des  „begrenzten Kontingents“ wurde intensiv fortgesetzt.

Afghanistan – Pufferstaat zwischen Pakistan und Iran

Russlands Interesse an Afghanistan reichte bis ins 19. Jahrhundert zurück. Aber auch Großbritannien versuchte konkreten Einfluss zu nehmen. Seine Truppen erlitten 1842 eine verheerende Niederlage.  Der deutsche Dichter Theodor Fontane (1819-1898) hatte hierüber eine Ballade „Das Trauerspiel von Afghanistan“ geschrieben. 1863 erfolgte die Gründung des Staates Afghanistan in seinen heutigen Grenzen. 1878 begann der zweite britisch-afghanische Krieg, ab 1880 hatten die Briten wieder die Oberhoheit.  Der dritte britisch-afghanische Krieg endete  mit der Unabhängigkeit des Landes.  

Königreich und Sozialistische Republik

Die folgenden Jahre waren von innerstaatlichen Auseinandersetzungen aber auch von politischen und wirtschaftlichen Reformversuchen gekennzeichnet. Von 1931/32 bis 1973 war Afghanistan ein Königreich unter Sahir Schah. Schon 1946 wurde Afghanistan Mitglied der Vereinten Nationen. Das Verhältnis zum östlichen Nachbarn Pakistan war und ist wegen Gebietsabtretungen belastet. 1955 besuchte der sowjetische Ministerpräsident Nikolai Bulganin das Land. Beistandsversprechungen von beiden Seiten waren die Folge. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Land erforderten Hilfe von außen. Die Sowjetunion, die USA und China schickten Hilfsgüter, um größere Hungersnöte zu verhindern. Im Juli 1973 wurde König Sahir von seinem Cousin Mohammed Daoud abgesetzt, dieser erklärte Afghanistan zur Republik. Der neue Machthaber konnte sich aber auch nur bis zur „Aprilrevolution 1978“ an der Staatsspitze halten. Bei einem militärischen Staatsstreich wurden er und seine Familie getötet. Ein Revolutionsrat übernahm die Regierungsgeschäfte und setzte auf ein radikales Programm des „Wissenschaftlichen Sozialismus“.

Widerstand beim Politbüro und Militär

Die Opposition unter Babrak Karmal verfolgte eine gemäßigtere Politik. Es entwickelte sich eine Widerstandsbewegung, hauptsächlich von Muslimen, der sogenannten Mudschaheddin. Sie kamen aus den Bergregionen und waren von den Regierungstruppen schwer zu bekämpfen. Dem sowjetischen Geheimdienst und den zahlreichen Beratern im Lande, die u.a. die Armee ausbildeten,  blieb der religiös geführte Widerstand in den Provinzen gegen das sozialistische Regime nicht verborgen. Das Kabuler Regime versuchte mit aller Härte den Widerstand zu brechen, bis zu 10.000 Hinrichtungen werden vermutet. Nun wendete sich die Regierung von Hafizullah Amin an die Sowjetunion, sie mit Truppen im Kampf gegen die Mudschaheddin zu unterstützen. Im September 1979 fiel in der „Afghanistan-Kommission“ in Moskau die Entscheidung. Generalsekretär Leonid Breschnew setzte sich gegen Widerstände im Politbüro und bei den Militärs durch.

Weihnachten 1979 landen die Truppen

Man glaubte mit etwa 4.000 Militärberatern und 1.000 Mann Kampftruppen, die sich schon in Afghanistan befanden, sowie den rund 6.500 Mann Luftlandetruppen, die Weihnachten nach Kabul eingeflogen wurden, schnell der Situation Herr zu werden. Gepanzerte Bodentruppen griffen ab 25. Dezember aus der Tadschikischen Sowjetrepublik auf Herat, Mazar-e Sharif und Kabul an. Babrak Karmal verkündete am 28. Dezember den Sturz der Regierung, das die Sowjetunion einem Beistandsersuchen gefolgt sei und ihre Truppen bald wieder abziehen werden. Bis Februar 1980 bestand die Interventionsarmee aber schon aus  80.000 Soldaten, sie wurde später auf 115.000 verstärkt. Nun begann der Kampf der „Krieger Gottes“ gegen die „ungläubigen“ Eindringlinge. Trotz aller Zerstrittenheit der Bevölkerung, war man sich im Guerillakampf weitgehend einig.

Sowjetischer Soldat auf Posten am Hindukusch

Gorbatschows neue Politik

Für die Sowjetunion war der Einfall eine außenpolitische Katastrophe. 104 Nationen stimmten am 14. Januar 1980 in der UN-Vollversammlung dem „sofortigen, bedingungslosen und vollständigen Abzug“ zu. Die Organisation der Islamischen Konferenz und auch die „Blockfreien Staaten“ forderten den Abzug. Die Olympischen Sommerspiele in Moskau 1980 wurden von fast 50 Nationen boykottiert.  Die Entspannungspolitik hatte einen starken Dämpfer erlitten. Im April 1985 wurde Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der KPdSU gewählt. Ein Ziel seiner neuen Politik von Glasnost und Perestroika  war das Ende des Krieges. Im Frühjahr 1986 sprach er öffentlich von der „blutenden Wunde Afghanistan“. Es dauerte aber noch bis Februar  1989,  bis sich alle sowjetischen Soldaten aus Afghanistan zurückgezogen hatten. Von den etwa 16 Millionen Afghanen flohen bis Kriegsende etwa 5,5 Millionen, vor allem ins benachbarte Pakistan und den Iran. Pakistan wurde zum Ausbildungslager und zur logistischen Basis der Mudschaheddin. Der amerikanische Geheimdienst (CIA) half bei der Ausbildung und Organisation  der verschiedenen  afghanischen Widerstandsgruppen. Aber auch nach dem Abzug der Sowjetsoldaten kehrte in Afghanistan kein Friede ein. Seit Januar 2002 ist die Bundeswehr ein Teil der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF). Das Mandat läuft bis 28. Februar 2014, von einer Verlängerung ist auszugehen. Am 5. April sind Präsidentenwahlen geplant, wobei Karzai nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten kann.  

   

Fotonachweis:

Abzug über den Grenzflusses Amur-Darja. Quelle: RIA Novosti archive, image #58833 / A. Solomonov / CC-BY-SA 3.0

Sowjetischer Soldat auf Posten .  Quelle: RIA Novosti archive, image #21225 / A. Solomonov / CC-BY-SA 3.0

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