Oberst i. G. Rainer Meyer zum Felde referierte über Vernetzte Sicherheitspolitik

Von Aranka Szabó

BAKS-Vizepräsident Oberst i.G. Rainer Meyer zum Felde  -  Foto: M. Balaban, Kdo TerrAufgBw

Berlin. Auf der Bundesversammlung der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik referierte  Oberst i. G. Rainer Meyer zum Felde zum Thema „Vernetzte Sicherheitspolitik“, gab einen Sachstandsbericht und bot einen Ausblick auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen.

Sicherheit durch glaubwürdige Verteidigung und Abschreckung und gleichzeitiger Entspannungspolitik durch kooperative Sicherheit, Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle – über zwei Jahrzehnte ist dieses „Erfolgsrezept“ in der Sicherheitspolitik, wie Meyer zum Felde es nannte, schon nicht mehr aktuell. Der Kalte Krieg mit seiner strategischen Ausrichtung Ost-West und Deutschland in geostrategisch zentraler Lage, endete Ende der 80er Jahre.  In seinem historischen Überblick zeigte Oberst Meyer zum Felde den Sektionsleitern die Übergangsphase der 90er Jahre auf, in der die Wiedervereinigung Deutschlands stattfand, der Warschauer Pakt zerfiel und sich die Sowjetunion auflöste. Die Europäische Union erweiterte und festigte sich und die Euro-Zone wurde geschaffen.

Aktuell hat sich die  sicherheitspolitische Lage komplett verändert. Deutschland und Europa spielten keine geografisch zentrale Rolle mehr. Vielmehr lägen die heutigen Krisengebiete im Balkan, im nahen und mittleren Osten sowie in Zentral- und Südostasien. Dass sie eine weltweit geopolitische Relevanz hätten,  resultiere daraus, dass die wichtigsten Handelsrouten durch diese Regionen führten, diese Energierohstoffe besäßen, die für Europa, aber auch für China und Indien von Bedeutung und zugleich sozialpolitische Brennpunkte seien, die neue sicherheitspolitische Herausforderungen mit sich brächten. Ursache hierfür seien: religiöser Fanatismus, nukleare Proliferation und regionale Vormachtrivalitäten, aber auch Staatszerfall- und versagen, durch Korruption geprägte Regierungen in durch Armut geprägten Staaten sowie schwache internationale Strukturen.

Insgesamt hätten sich durch in den vergangenen Jahrzehnten die Art der Risiken, Bedrohungen und auch die Katalysatoren grundlegend geändert. Eine unmittelbare territoriale Bedrohung innerhalb deutscher Grenzen, sei unwahrscheinlich geworden, wenn auch ein regionaler zwischen- oder innerstaatlicher Konflikt möglich bliebe. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus bleibe hingegen weiterhin hoch. Dieser könnte religiös, ethnisch oder auch ideologisch motiviert sein. Die Weiterverbreitung von Massenvernichtungsmitteln, besonders an nicht-staatliche Terror-Organisationen, Nordkorea und den Iran, sei eine Bedrohung für den internationalen Frieden. Meyer zum Felde wies auch auf „Cyber Security“ hin, denn „unsere kritischen IT-Infrastrukturen sind in hohem Maße verwundbar.“

Zu den Risiken zählte Meyer zum Felde Machtverhältnisse mit regional destabilisierender Wirkung, besonders im weiteren mittleren Osten und in Asien/Pazifik. Ebenso sah er die Offenheit der Handelswege und Marktzugänge sowie die Sicherheit von Ressourcen- und Energieversorgungssicherheit als potentiell gefährdet an. Er wies darauf hin, dass „die Ressourcen- und Energieversorgungssicherheit für Deutschland von herausragender Bedeutung ist.“ Die sich verschärfende Konkurrenz stark wachsender Mächte beinhalte Konfliktpotential. Weitere Risikobereiche seien die zunehmende transnationale und organisierte Kriminalität sowie, unter anderem, Katastrophen, Epidemien und Pandemien.

Als Einflussfaktoren beziehungsweise Katalysatoren der weiteren Entwicklung nannte Meyer zum Felde  den Klimawandel mit Wasser-, Nahrungs- und Landknappheit, die zunehmende Kluft zwischen arm und reich, klimaverursachte Umweltkatastrophen, Armuts- und Elendsmigration nach Europa und Auswirkungen der demografischen Verschiebung mit einer raschen Alterung in Deutschland und jungen Gesellschaften in anderen Regionen. Auch die Staatsschuldenkrisen beeinflusse die Sicherheit. Kritisch betrachte Meyer zum Felde, dass trotz weniger verfügbarer Mittel im militärischen Bereich eine über die Wirksamkeit hinaus größere Effizienz verlangt werde. Eine „für Deutschland hochgefährliche“ Tendenz der Fragmentierung und Re-Nationalisierung wie im Europa des 19. Jahrhunderts, betrachtete er als ebenfalls möglichen kritischen Faktor.

„Sicherheitspolitik ist nicht mehr geografisch definierbar“, sagte Meyer zum Felde. Riskant seien „die Schwächen von Staaten, weniger ihre Stärke“, meinte er. Alte Großmächte, aufstrebende Schwellenländer, zerfallende Staaten sowie eine zunehmende Vielfalt nichtstaatlicher Akteure. Meyer zum Felde schloss, dass „Krisen und Konflikte jederzeit, kurzfristig, ohne Vorwarnung mit direkten oder indirekten Auswirkungen auf Deutschland und seine Bürger einwirken können.“ Das könne  rasche Reaktionen über weite Entfernungen erforderlich machen. Die äußere und innere Dimension von Sicherheit stünden hierbei in nicht mehr strikt trennbarer Wechselwirkung miteinander.

„Decline of the West, rise of the Rest?“ – „Welche Rolle bleibt den Nationen Europas zur Wahrung ihrer Interessen?“, fragte der Sicherheitsexperte.  „Es ist Zeit zum Aufwachen“, sagte er. Auch um sich zu fragen, ob Europa handlungsfähig bleiben oder marginalisieren wolle, denn die USA verlagerten ihre sicherheitspolitischen Interessen von Europa weg in die asiatisch-pazifische Region. Dort wachse der Wirtschaftsmarkt enorm und regionale Mächte könnten Territorial- oder Seeräume für sich beanspruchen. Auch einen regionalen Rüstungswettlauf konnte sich Meyer zum Felde vorstellen. Parallel wiesen manche regionale Staaten eine schwache Regierung samt schwachen staatlichen Strukturen auf.

Für Europa prognostizierte Meyer zum Felde deshalb:  „Europa wird mehr Verantwortung für seine Peripherie übernehmen müssen.“ Die wirtschaftlichen Interessen der USA an der Golfregion wären durch den Gas-Boom durch Fracking im eigenen Land rückläufig. Auch hier werde sich Deutschland die Frage stellen müssen: „wie präsent müssen wir am Golf werden?“ Langfristig machte Meyer zum Felde auch die neuen nördlichen Seewege als neue sicherheitspolitische Aufgabe aus.

Eine Mandatierung durch den UN-Sicherheitsrat sah Meyer zum Felde als grundsätzliche Voraussetzung für die Legitimität bewaffneter Bundeswehreinsätze. Der UN käme auch weiterhin die primäre Verantwortung für Frieden und Internationale Sicherheit zu. Die EU habe die Verpflichtung für ein vereintes Europa bei einem Integrationsprozess auf allen geeigneten Politikfeldern. Die Handlungsfähigkeit innerhalb und jenseits der Grenzen Europas bedürfte jedoch der Verbesserung. Ein breites Spektrum ziviler und militärischer Instrumente sei erforderlich. Die Effizienz könne durch eine engere NATO-EU-Kooperation und gegenseitige Abstützung auf zivile und militärische Fähigkeiten verbessert werden. Den Französisch-Deutschen Beziehungen seien hierbei von „herausragender Bedeutung“. Kern von Europas Verteidigung bliebe auch weiterhin die NATO und die Bündnissolidarität Teil der deutschen Staatsräson. Die NATO verbinde Europa mit den USA und Kanada. Die kollektive Verteidigung garantiere die Sicherheit Europas und ermögliche die Bewältigung von Krisen. „Die Verpflichtungen der USA für die Sicherheit Europas (und ihre einzigartigen strategischen Fähigkeiten)  sind für Europa eine Frage von Sein oder Nichtsein“, meinte Meyer zum Felde. 

Sicherheitspolitik auf internationaler Ebene sei dann am Effektivsten und Effizientesten, wenn der richtige Mix aus politischen, ökonomischen, zivilen und militärischen Mitteln genutzt würde.  Dazu gehöre unter anderem der Ausbau von Netzwerken auf Ebene der EU, NATO und UN, bilaterale strategische Partnerschaften, neben den NATO- oder EU-Partnern auch anderen strategisch wichtigen Nationen und die Unterstützung regionaler internationaler Organisationen, wie zum Beispiel ECOWAS. Auch trage das internationale Bankenwesen mit dem IWF und der Weltbank zu einer erfolgreichen Sicherheitspolitik bei.

Aus seinen Ausführungen zog Meyer zum Felde folgende Schlussfolgerungen: Europa müsse sich überlegen, ob es in der globalisierten Welt mit alten und neuen Großmächten marginal mit einer Außenpolitik von 27 Einzelstaaten oder geeint und als handlungsfähige Macht auftreten wolle. Die Handlungsfähigkeit Europas müsse weiterhin im transatlantischen Rahmen eingebettet bleiben, bei dem die USA weiterhin führende Weltmacht bliebe. „Keine anderen Mächte stehen sich näher und sind durch Geschichte, Kultur, Wirtschaftsbeziehungen und Bündnisse  enger miteinander verflochten.“ Trotzdem werde Europa in Zukunft mehr Eigenverantwortung übernehmen „und sich den Sicherheitsproblemen an seiner Peripherie künftig selbst stellen müssen – ohne Führung durch die USA.“ Meyer zum Felde forderte, „nicht die Festung Europa defensiv abwarten“, sondern ein vorbeugendes und aktives Engagement.

Es sei höchste Zeit für ein integriertes, rundes, europäisches Verteidigungsdispositiv, eine „Europa-Armee“, was leider derzeit unrealistisch sei, weswegen zumindest eine kollektive, militärische Handlungsfähigkeit für zivil-militärische Missionen zur Krisenbewältigung  erlaubt sein müsse. Frankreich, Großbritannien und Deutschland sollten hier als Anlehnungsmächte den Kern bilden. In Ausbildung und Logistik müsse Europa enger zusammenarbeiten und auch die teuren, kritischen und hochwertigen Fähigkeiten zentralisiert werden. Dazu gehöre die strategische Aufklärung, Führung und Überwachung im Luftraum und am Boden, Luftbetankung zur strategischen Reichweitenverlängerung, Flugkörperabwehr, integrierte Kommandostrukturen zur Planung und Führung komplexer Operationen und anderer „Force Enablers“ und „Force Multipliers". Hierzu seien Abstriche in der nationalen Souveränität unausweichlich. Europa benötige mehr als bisher ein maritim geprägtes Dispositiv sowie flexible, verlegbare, durchhaltefähige Expeditionsstreitkräfte und  den politischen Willen, sie „wenn nötig, als äußerstes, aber nicht unbedingt als letztes Mittel auch einzusetzen“.

Komplexe zivil-militärische Missionen zur Krisenprävention oder -bewältigung erforderten eine systematische ressortübergreifende Vorbereitung und kein „ad hoc“ mehr. Auf nationaler Ebene seien dafür Einrichtungen wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) oder die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS)  für die sicherheitspolitische und strategische Beratung sowie zum Beispiel die Akademie Auswärtiger Dienst  (AAD), die Führungsakademie der Bundeswehr (FüAkBw), das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), aber auch unter anderem der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei (BPol) für die operative, ressortübergreifende Einsatzvorbereitung durch Aus- und Fortbildung wichtig.

Das Konzept einer umfassenden, vernetzten Sicherheitspolitik sei zwar richtig, meinte Meyer zum Felde, erfordere jedoch eine konsequente Umsetzung. Auf nationaler Ebene eine ressort- und länderübergreifende Sicherheitsvorsorge und auf internationaler eine komplementäre, effizientere Zusammenarbeit von Nationen und internationalen Organisationen. Ebenso müssen komplexe Missionen systemantischer vorbereitet werden: „Prepare and train as your operate: civil-military, joint and multinational.“ 

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