50 Jahre

deutsch - französische

Freundschaft

Von Peter E. Uhde 

Auf  beiden Seiten des Rheins wird in diesen Tagen und Wochen eines epochalen Ereignisses gedacht. In der nüchternen Sprache der Diplomaten und auf der Urkunde trägt es den Namen „Vertrag zwischen der Bundesrepublik  Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit“. Aus der sperrigen Bezeichnung wurde schnell die Kurzbezeichnung Élysée-Vertrag.

Ein weitsichtiger Entschluss

Im Salon Murat des Präsidentenpalastes in Paris setzten am 22. Januar 1963 der Präsident der Französischen Republik General Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer ihre Unterschriften unter den Vertrag.

Paris, Unterzeichnung Elysée-Vertrag. Foto: Bundesarchiv B 145 Bild-P106816

In Deutschland wurde er schnell als Freundschaftsvertrag, in Frankreich als traité de l'Élysée bezeichnet. Beide Staatsmänner konnten nicht ahnen, dass sie damit für ihre Völker und Europa einen Meilenstein in der Geschichte der einstmals als Erbfeinde bezeichneten Nationen setzten, denn die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich waren historisch stark belastet. In den vergangenen zweihundert Jahren wurden fünf Kriege gegeneinander geführt. Der Zweite Weltkrieg und die Erinnerungen der Franzosen an die Besatzungszeit, die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, der schnelle wirtschaftliche Aufschwung und auch der Konflikt um das Saarland, trugen nicht zu einem besonders herzlichen Verhältnis bei.

Das neue Europa fing klein an

Man muss etwas in die Geschichte zurückblicken, um die Vision der beiden Staatsmänner und ihrer Berater zu verstehen. Am 9. Mai 1950, fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, erklärte Außenminister Robert Schumann: „Die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, dass der jahrhundertealte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird. Das begonnene Werk muss in erster Linie Deutschland und Frankreich erfassen“. Der so genannte Schumann-Plan war dann die Grundlage der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“

Im September 1958 besuchte Konrad Adenauer den französischen Ministerpräsidenten  in seinem privaten Landhaus im lothringischen Colombey-les-deux Églises. Bei dieser Begegnung wurden die Weichen für die weitere Annäherung beider Völker gestellt. Am 21. Dezember wird de Gaulle zum Staatspräsidenten der V. Republik gewählt. Zwei schwere politische Krisen, der Bau der Mauer 1961 durch das geteilte Berlin und  die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba 1962, machten deutlich, dass Deutschland und Europa nur gemeinsam gegen Moskau auftreten konnten. Während der Berlin-Krise hatten de Gaulle und Adenauer ständigen Kontakt.

Der Staatspräsident in Uniform

Vom 2. bis 8. Juli 1962 besuchte Bundeskanzler Adenauer Frankreich und der Gegenbesuch des französischen Staatspräsidenten de Gaulles fand vom 4. bis 9. September statt. Bilder beider Staatsmänner beim Gottesdienstbesuch in der Kathedrale von  Reims gingen um die Welt.

Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Hamburg München, Ludwigsburg/Baden-Württemberg und Stuttgart sind Stationen dieser Reise. In Hamburg war de Gaulle Gast der Führungsakademie der Bundeswehr. Für seinen Auftritt hatte er die Uniform angezogen und rief den Zuhörern zu:“ War es doch ihr Carl Zuckmayer, der schrieb:` War es gestern unsere Pflicht, Feinde zu sein, ist es heute unser Recht, Brüder zu werden`.“ In Ludwigsburg hielt er eine Rede an die deutsche Jugend. Ludwigsburg und Montbéliard/Region Franche-Comté hatten 1950 die erste Städtepartnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich geschlossen. Deutsch hatte de Gaulle in der deutschen Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg gelernt. Beide Staatsbesuche waren Erfolge, der von de Gaulle glich einem Triumphzug. Seine Ansprachen hielt er auf Deutsch. Die Anerkennung der Deutschen als eines „großen Volkes“  nahm einen Teil des Schuldkomplexes durch einen früheren Gegner.

Die nüchterne Sprache der Diplomaten

Der Vertrag gliedert sich in drei Teile: Organisation, Programm und Schlussbestimmungen. Die Regierungen verpflichteten sich zu regelmäßigen Konsultationen über Außen-, Wirtschafts-, Verteidigungs-  und Kulturpolitik.

Es dauerte aber auch nicht lange, da machten sich zwischen den Forderungen und den Möglichkeiten der Vertragserfüllung,  sowohl außen- und sicherheitspolitisch, Fragen und Meinungsverschiedenheiten im Regierungslager als auch in der Opposition bemerkbar. Die Spaltung der deutschen Politik in „Atlantiker“ und „Gaullisten“, hier stand der Kanzler an der Spitze, trat deutlich nach außen in Erscheinung. Bei der Ratifizierung des Vertrages durch den Deutschen Bundestag wurde ihm eine Präambel vorangestellt. In ihr wird  die Aufrechterhaltung der bestehenden Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika, zu Großbritannien und zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betont. Für de Gaulle war das fast wie eine politische Niederlage. Für ihn war die „unilaterale Präambel“ vor einem bilateralen Vertrag „die seinen ganzen Sinn änderte“ nicht akzeptabel. Völkerrechtlich war der Zusatz zwar bedeutungslos, hinterließ aber psychologisch Spuren.

Für Bundeskanzler Adenauer war die Aussöhnung mit Frankreich die letzte entscheidende politische Leistung. Nach vierzehn Kanzlerjahren trat er am 15. Oktober 1963 zurück. Charles de Gaulle blieb bis zum 28. April 1969 Staatspräsident.

Eine Erfolgsgeschichte muss fortgeschrieben werden

Nach fünfzig Jahren bleibt festzustellen, dass der Vertrag von keinem deutschen oder französischen Politiker ernsthaft in Zweifel gezogen wurde. Aber auch die Bevölkerung beiderseits des Rheins hat die Versöhnung und Freundschaft, zu der im Januar 1963 der Grundstein gelegt wurde, angenommen und praktiziert sie. Deutsche und Franzosen empfinden sich als Nachbarn, als Freunde, wenn es auch immer wieder einmal in den Beziehungen knirscht. Das deutsch-französische Jahr, durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande in Reims eröffnet, wird am 50. Jahrestag in Berlin feierlich begangen.

Festzustellen ist, dass Charles de Gaulle Weitsicht bewies, als er vor fünfzig Jahren erklärte: „Wir schließen kein Kapitel, sondern wir öffnen eine Tür“. Bisher hat kein Windzug die Tür zugeschlagen, auch wenn politische Stimmungskrisen sie manchmal in Schwingung brachten. Auch für die kommenden Generationen soll sie immer offen bleiben.

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