Krieg gegen den Iran – Tickt die Uhr?

Mit dieser aktuellen Frage befasste sich eine Veranstaltung des Bonn International Center for Conversion (BICC) in Zusammenarbeit mit dem Forum-Eine-Welt (FEW). Seit Jahren ist das Atomprogramm des Iran im Focus der Weltöffentlichkeit. Eine Lösung ist nicht in Sicht. So haben sich „Halbwahrheiten, Mythen und Falschaussagen“ gebildet, die von den Medien immer wieder verbreitet werden.

Jerry Sommer, Research Associate des BICC, warnt davor, denn sie tragen seiner Ansicht nach zur Eskalation des Konflikts bei. Er fordert seriöse diplomatische Bemühungen zur Lösung des Problems. Deutschland weist er dabei eine besondere Rolle zu, weil seine Beziehungen zum Iran historisch weniger belastet sind als die zwischen dem Iran und den USA sowie Großbritannien.

Im November 2011 meldet die Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), dass der Iran 4.922 Kilogramm an 3,5-prozentigem, leicht angereicherten Uran hergestellt hat. Mit dem schon vorhandenen 1.200 Kilogramm, könnte bei einer Anreicherung auf über 90 Prozent waffenfähiges Uran für eine Atombombe erzeugt werden. In Natanz wird Uran auf 20 Prozent angereichert, um Brennstäbe für ein kleines Teheraner Forschungslabor anzufertigen, das medizinische Isotope für die Behandlung von über 870.000 Krebspatienten im Lande herstellt. Diese kerntechnische Anlage zur Urananreicherung liegt in der Provinz Esfahan, etwa 225 Kilometer südöstlich von Teheran. Sie steht unter der Kontrolle der IAEO, die bestätigt hat, dass aus diesen Anlagen kein Nuklearmaterial abhanden gekommen sei.

Iran, Israel und die USA sind die Hauptbeteiligten in diesem Konflikt. Ministerpräsident Netanjahu hat innenpolitisch Probleme. Bedrohungen des Iran sollen von den sozialen Protesten und dem Nichtfortschreiten der Verhandlungen mit den Palästinensern ablenken. Hinzu kommt, dass durch den arabischen Frühling die Rolle Israels und der USA, als wichtigster Verbündeter, unsicherer geworden ist. Wie sich die Situation in Syrien entwickelt ist nicht abzusehen. Israel wird die beschlossenen Gespräche zwischen den fünf UN-Veto-Mächten und Deutschland genau verfolgen. Israel wird von seiner Forderung, dass der Iran jegliche Urananreicherung einstellen und alles schon angereicherte Uran außer Landes schaffen soll, nicht abrücken.

Wäre Israel überhaupt zu einem Militärschlag gegen den Iran in der Lage? Ohne die Unterstützung der USA nicht, ist die überwiegende Meinung von Experten. Ein Krieg würde die schon instabile Region in einen Brandherd verwandeln. Die iranische Führung würde dann sicher mit allen Mitteln versuchen Atombomben herzustellen, wie sollte das dann verhindert werden? Immer wieder die Herstellungsanlagen angreifen? Ein unvorstellbares Szenario.

Eindeutige Beweise, dass der Iran Atomwaffen entwickelt, gibt es nicht. US-Verteidigungsminister Peon Panetta erklärte Anfang des Jahres: „Ist der Iran dabei Atomwaffen zu entwickeln? Nein.“ Der Chef des US-Geheimdienstes James Clapper erklärte am 16. Februar diesen Jahres, dass der Iran die technologischen Fähigkeiten hätte, eine Atombombe zu bauen, aber die Entscheidung zu bauen, habe Teheran nicht getroffen.

Iran wird sich durch die beschlossenen Sanktionen nicht abhalten lassen, weiter an der Entwicklung der Nukleartechnologie zu arbeiten. Selbst der ehemaligen israelischen Generalstabschef Dan Halutz meinte Anfang Februar: „Iran ist eine ernsthafte, aber keine existenzielle Bedrohung. Dieser Begriff soll einen Angriff auf Iran befördern. Der aber wäre ein Fehler“.

Israel besitzt Atombomben und baut die Zweitschlagfähigkeit weiter aus. Sein Monopol in der Region will es behalten. Für Jerry Sommer ist es Zeit für eine ernst gemeinte Diplomatie, die von den fünf UN-Vetomächten und Deutschland in den angekündigten Gesprächen zu führen sind. Eine Voraussetzung ist, dass von der unerreichbaren, unrealistischen Maximalforderung nach Suspendierung der Urananreicherung im Iran zur Herstellung von Kernbrennstäben abgegangen wird. Nach dem Atomwaffensperrvertrag steht Iran das Recht dafür zu. Der Iran müsste aber auch Kontroll- und Inspektionsrechte der IAEO zulassen. Des weiteren müssten die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran normalisiert werden. Das könnte Bewegung in den momentan festgefahren Atomkonflikt bringen und auch der Opposition neue Möglichkeiten eröffnen. Bis zu den US-Präsidentschaftswahlen wird sich wohl nicht viel ändern.

Der israelische Schriftsteller David Grossman befasste sich  am 13. März diesen Jahren in einem Artikel in der Frankfurter Allgemein Zeitung mit der Situation. Unter der Überschrift: „Bevor unsere Ohren taub werden“ und der Unterzeile:  „Vom Gleichgewicht des Schreckens: Warum Israel Iran nicht angreifen darf“, schloss er: „Ich beneide den Ministerpräsidenten, den Verteidigungsminister und das Sicherheitskabinett nicht. Sie tragen eine ungeheuere Verantwortung. Ich denke daran, dass in einer Situation voller Zweifel und Ungewissheit das einzige Gewisse die Angst ist. Für uns Israelis ist es verführerisch, uns an solche Ängste zu klammern, ihnen zu folgen, ihre vertraute Sprache zu hören. Die Befürworter würden einen Militärschlag gegen Iran bestimmt damit rechtfertigen, dass ein potentieller Albtraum verhindert werden soll. Aber hat irgendein Mensch das Recht, so viele Menschen zum Tode zu verurteilen, nur weil er Angst vor einer Situation hat, die vielleicht nie eintreten wird?“

Peter E. Uhde

 

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