Perspektive schaffen – Die Moderne annehmen

Zur Namensänderung in Deutsche Gesellschaft für Sicherheitspolitik

Mit dem Ende des Kalten Krieges und der dadurch veränderten sicherheitspolitischen Lage in Deutschland und international haben sich auch weit reichende Veränderungen auf dem Gebiet der sicherheitspolitischen Information ergeben. Standen bis 1991 noch die Verteidigung Deutschlands innerhalb der Landesgrenzen und die Unterstützung im NATO-Bündnisgebiet im Vordergrund, erweiterte sich das Aufgabenspektrum in der sich anschließenden Zeit radikal. Aus den ehemaligen Gegnern an den Grenzen wurden Partner oder Freunde, das atlantische Bündnis fragte nach deutscher Beteiligung und die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik reagierte auf die Veränderungen durch Anpassungen in der Lagefeststellung, der inneren und äußeren Sicherheit und dem erweiterten Aufgabenspektrum der Bundeswehr.

Eng einher mit diesen Transformationen gingen die Veränderungen in den Streitkräften, dem Reservistenverband und zahlreichen Organisationen und Vereinen, die den Bürgern in Deutschland die Außen- und Sicherheitspolitik nahe bringen und somit zur Information und Willensbildung beitragen.

Die 1952 als Gesellschaft für Wehrkunde gegründete jetzige Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik e.V. (GfW), hat diesen Schritt noch nicht vollzogen. Angesichts des satzungsmäßigen Zwecks, „die Erziehung, Volks- und Berufsbildung im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ voranzutreiben, muss dieser Schritt aber als Konsequenz dringend folgen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Verein bei der folgenden Generation und in der Gesellschaft, bei Handel, Banken und Industrie in eine Nische gedrängt wird, die nur aufgrund der Namensbeibehaltung geschaffen wurde.

Ursache ist dabei die Verwendung des Namensbestandteils „Wehr“, welcher historisch und aktuell belegt ist. Er weist deswegen den Betrachter in eine falsche Richtung und verhindert dadurch die notwendige und gewollte Modernität der GfW mit ihrer aktuellen Expertise.

Drehte sich in den Gründerjahren der Bundesrepublik die Sicherheitspolitik noch um die Wehrhaftigkeit gegen den Kommunismus an der innerdeutschen Grenze, so ist diese Tatsache heute erloschen. Sich wehren bedeutete in diesem Zusammenhang, die Bundesrepublik gegen Feinde zu befestigen und sich gegen sie zu verteidigen, also eine starre Anlage, auf das Reagieren ausgerichtet.

Ganz im Gegensatz dazu stehen der Zweck der GfW und die verdienstvolle Arbeit all ihrer Sektionsleiter und Referenten. Sie sind flexibel und aktiv; sie agieren. Sie sind das Gegenteil von starr, indem sie tagesaktuelle Themen aufgreifen, analysieren und verständlich öffentlich vortragen.

Die Wehrhaftigkeit deutscher Politik steht also nicht mehr im Sinne der territorialen Fähigkeit, sondern sie ist ein komplexer Ansatz über die starren Landesgrenzen und ehemaligen Wehrstrukturen hinausgehend. Dies zeigt sich zum Beispiel in der engen Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendienst, Verteidigungsministerium, Innenministerium und zahlreichen Organisationen: Im Einsatz, im Inneren und Äußeren, bei Katastrophen.

Der Begriff Sicherheit wurde viel weiter gefasst als noch zu Beginn der GfW. War es damals die Abwehr eines menschenverachtenden Regimes mit Hilfe von Bundeswehr und Bündnispartnern in Deutschland, so ist der Begriff Sicherheit heute umfassender. Das Interesse der Bürger Deutschlands liegt in der persönlichen Sicherheit und in der Sicherheit von wirtschaftlichen Grundlagen informationellen Bedürfnissen. Sicherheit bedeutet: gesicherte familiäre Bindungen, finanzielle Sicherheit, Gesundheit, Freiheit, Frieden. Diese Bedürfnisse sind in Deutschland und den westlichen Demokratien ausgeprägt und zugleich verletzlich.

So ist Deutschland abhängig von Rohstoffen, damit von freien Handelswegen; deutsche Konzerne agieren weltweit und gehen damit Risiken in der Informationssicherheit ein, Industriespionage verursacht bereits jetzt jährliche Milliardenschäden und bedroht unternehmerische Existenzen.

Diesen Sicherheitsbegriff beschreiben die Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) unter anderem wie folgt:

„… eine Gefährdung deutschen Territoriums durch einen Angriff mit konventionellen Streitkräften ist derzeit und auf absehbare Zeit nicht mehr gegeben“.

Daraus ergibt sich, dass der Begriff Sicherheit von Bürgern und Staat viel weiter gefasst ist, als zu Zeiten des Kalten Krieges, wie die VPR weiter zeigen:

„Unsere Sicherheit wird auch an anderer Stelle dieser Erde verteidigt. In der heutigen Welt gibt es keine nationalen Friedensoasen mehr. … Deutsche Verteidigungspolitik ist das Handeln Deutschlands zur Sicherheitsvorsorge im Rahmen seiner Außen- und Sicherheitspolitik“.

Kein Wort von sich wehren; vielmehr vorausschauendes und aktives Vorbeugen stehen da. Im Weiteren wird diese Politik erklärt: Es handelt sich um „einen umfassenden Sicherheitsbegriff, der Risiken und Bedrohungen mit einem abgestimmten Instrumentarium begegnet. Dazu gehören diplomatische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische polizeiliche und militärische Mittel…“.

Vielmehr zeigt sich die Verteidigungspolitik im Einklang mit allen anderen Aspekten der deutschen Politik.

Dies aufzuzeigen und dem „freundlichen Desinteresse“ in der Bevölkerung entgegenzutreten ist die engagierte Aufgabe der GfW. Da hilft es nicht, mit Corporate Identity oder dem Festhalten an Begriffen zu argumentieren.

Nur weil „Wehr“ als Wortbestandteil in Bundeswehr, Wehretat, oder Wehrrecht enthalten ist, impliziert das noch lange nicht, dass der (abstrakte) Begriff in der Bevölkerung und bei Interessengruppen positiv belegt ist. Wie sonst erklärt sich das „freundliche Desinteresse“ an Verteidigungsfragen?

Ein Blick in Publikationen lässt sogar Alarmierendes vermuten: Wehrkundeunterricht in der DDR, Wehrsportgruppe in der rechtsextremen Szene oder Wehrverbände nach dem Ersten Weltkrieg haben wahrlich keinen guten Ruf!

Vielmehr ist der Begriff Sicherheit in Verbindung mit Verteidigungspolitik ins Zentrum gerückt. Schließlich sichern Soldaten Freiheit und Frieden, oft durch Vorbeugung und friedensstiftende Einsätze!

Was spricht also noch dagegen, die GfW im modernen 21. Jahrhundert in die Linie der Transformation und Erneuerung zu stellen, der sich die gesamte Republik stellt? Was die GfW bietet ist fundierte Lagebeurteilung, das Vernetzen von Informationen und Zusammenbringen von Interessierten aller gesellschaftlichen Gruppen und Verbände.

Mit dem mutigen, aber konsequenten Schritt zur Namensänderung schafft sich die Gesellschaft eine Perspektive, die keine Nachwuchssorgen kennt, die Erfahrung in moderner Umgebung weitergibt und die Zeichen setzt.

Dieses Zeichen heißt Deutsche Gesellschaft für Sicherheitspolitik und es wird weithin sichtbar sein.

Peter Hess, Oberstleutnant d. Reserve

 

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